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hervorragend volkswirtschaftlicher Bedeutung, nicht allein für jene
Dörfer und Städte, sondern für unsre ganze Provinz. Wie sehr
auch die Regierung für das geistige Wohl dieser Leute sorgt, erhellt
daraus, daß vorn 1. Oktober 1899 ab bereits jedes kleine Fischerdorf
seine eigene Schule hatte. „Es ist also gar nicht so schlecht hier.“
Dr. Rudolf Brückmann. (Originalartikel.)
180. Vogelzug und Krähenfang auf der Kurischen
Nehrung.
Wenn im Herbste die rauhen Stürme über die öde Flur brausen,
dann verlassen uns die lieben gefiederten Sänger in Wald und Feld,
um im wärmeren Süden Schutz vor den Unbilden des nordischen Winters
zu suchen. Ihrem innersten Naturtriebe folgend, treten die Wanderer die
beschwerliche Reise selten allein, zumeist in großen Gemeinschaften von
ihresgleichen an, und merkwürdig, derselbe Weg, den die Segler der Lüfte
auf ihrem Zuge einmal einschlugen, wird in jedem Jahre eingehalten,
als ob ein Gewässer, ein Höhenzug oder ein Wald den Reisenden als
Richtungslinie diente. Insbesondere wird in dieser Hinsicht von den
Wandervögeln des nördlichen Europas der lange Sandstreifen der Kurischen
Nehrung als Wegweiser benutzt, und unter allen sind es besonders die
Krähenzüge, welche die Aufmerksamkeit des Nehrungsbewohners in ganz
besonderem Maße auf sich ziehen.
Schon in den ersten Tagen des Oktober beginnt das fesselnde Schau¬
spiel. Soweit das Auge reicht, sieht man eine ununterbrochene Krähen¬
kette von Norden nach Süden die Nehrung entlang fliegen. Zum weit
größten Teile sind es Nebelkrähen mit Saatkrähen und Dohlen vermischt.
Einzeln oder in kleinen Trupps kommen sie angezogen, die vielgeschmähten
schwarzen und schwarzgrauen Vögel. In Gemeinschaft der Krähen eilen
auch Lerchen und Finken ihren Winterquartieren zu, in solcher Menge,
daß man an einem Oktobermorgen 28000 Zugvögel schätzungsweise ge¬
zählt hat. Und wunderbar! Heute gehen solche Züge in mäßiger Haus¬
höhe vor sich; die Krähen eilen schwankenden Fluges dicht über die
Wipfel des dürftigen Nehrungswaldes dahin, und morgen nehmen sie
ihren Weg ganz niedrig über dem Erdboden, um unter Umständen Schutz
hinter der Vordüne zu suchen; wiederum an andern Tagen deuten nur
die aus der Luft herabtönenden Rufe an, daß heute der Zug droben in
schwindliger Höhe vor sich geht. Unter günstigen Witternngsverhältnissen
kann sich dieser Krähenzug bis in den Dezember hinein ausdehnen, worauf
eine Ruhepause eintritt. Bringt aber die zweite Hälfte des Februar