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Nunmehr bringt man auch die wohlgesattelten Traber herbei. Jeder
Reiter befestigt auf und an dem hohen, muldigen, über dem Hocker sitzen¬
den Sattel die ihm unentbehrlichsten Reisegerätschaften und Waffen und
schickt sich an, sein Reittier zu besteigen. Durch Fuchteln mit der Peitsche wird
das Reittier angespornt, mittels eines feinen Nasenzaumes gebührend im Zügel
gehalten. Alles eilt hinter dem Führer her. Bald ist die vorausgezogene
Lastkarawane überholt, bald jede Spur der letzten menschlichen Ansiedlung
verschwunden; nach allen Seiten erstreckt sich, endlos scheinend, die Wüste.
4. Lautlos zieht die Karawane dahin. Weit greifen die Lastkamele
aus, federnden Ganges deren Treiber neben, hinter ihnen her. In
vollem Trabe eilen die Reitkamele an jenen vorüber und dem Reisezüge
voraus. Vorwärts geht es mit ungeminderter Eile. Alle Knochen scheinen
zu knacken unter den Stößen, welche die hastenden Reittiere verursachen.
Sengend brennt die Sonne hernieder, stechend dringt sie durch alle Kleider.
Unter der dichten Hülle rieselt der Schweiß über den ganzen Körper, unter
der leichteren der Arme und Beine verdunstet er, sowie er auf die Haut
tritt. Die Zunge klebt am Gaumen. Wasser, Wasser, Wasser! ist der
einzige Gedanke dessen, der solche Beschwerden noch nicht zu ertragen ge¬
lernt hat. Aber das Wasser ist anstatt in eisernen Behältern und Flaschen
in den landesüblichen Schläuchen verfrachtet. Es ist tagelang in voller
Glut auf bem Rücken der Kamele befördert worden und daher mehr als
lauwarm, übelriechend, braun von Farbe und übelschmcckend. Solches
Wasser gewährt keine Labung, sondern verursacht nur neue Beschwerden,
selbst peinliche Leibschmerzen, und macht daher die Begierde nach irgend
einem Getränk nur noch brennender. Aber es läßt sich ebensowenig ver¬
bessern als ersetzen. Sein durchdringender Geschmack und Geruch spotten
_ aller Versuche, es in Gestalt von Kaffee oder Tee, mit Wein oder
Branntwein vermischt, zu genießen. Unvermischter Wein oder Branntwein
aber vermehren nur den brennenden Durst und die drückende Hitze. Der
Zustand des Reisenden wird qualvoll, noch bevor die Sonne in Mittagshöhe
steht, und die Qual nimmt in demselben Maße zu, in dem sich das
Wasser verschlechtert. Aber sie muß ertragen werden und wird ertragen.
Wenn sich auch der Abendländer an Schlanchwasser nie gewöhnt, an die
anfänglich unerträgliche Hitze gewöhnt er sich bald, an die Beschwerden
des Rittes um so eher, je mehr er mit seinem Reittier zusammenwächst.
5. Gegen Mittag wird gerastet. Ist eine Niederung in der Nähe,
so findet sich in ihr wohl eine schirmförmige Mimose, deren dünnes Blätter¬
dach spärlichen Schatten bietet. Erstreckt sich die sandige Fläche unabseh¬
bar vor den Reitern, so bilden vier in den Sand gestoßene Lanzen und
die zwischen ihnen ausgespannte Wolldecke ein dürftiges Schattendach.