Aus der Erdkunde
152. Thüringen.
Ja, hier ist alles schön. Erhaben winken
die Berge uns in ihrer Wälder Flor,
vom Felsenriss gleich goldnen Sternen blinken
aus grünem Kranz die schönsten Schlösser vor.
Wie viele ziehn, um Seligkeit zu trinken,
durch dieser Täler weit geöffnet Tor!
Wie viele kamen, dieser Wälder Rauschen
mit wonnetrunknem Sinn entzückt zu lauschen!
Reinhold Sigismund.
153. Der Thüringer Wald.
Der Thüringer Wald, der einen so großen Ruf in Deutschland
genießt, dehnt sich als ein mächtig emporgehobener, fast durchweg
bewaldeter Gebirgskamm von Südost nach Nordwest, von der Saale
bis zur Werra in einer Länge von etwa 75 km aus und ist nirgends
über 15 km breit. Er scheidet Thüringen von Franken, Norddeutsch¬
land von Süddeutschland, das Gebiet des Mains von dem der nord¬
deutschen Ströme. Seit uralter Zeit bieten seine beiden Gebirgsseiten
einen Natur- und Völkergegensatz dar, einen Gegensatz der Sprache,
des Rechts, der Sitte und Eigentümlichkeit in Haus und Leben. Des¬
halb sagt das Volk am Nordfuße von dem Landstriche der Süd- oder
vielmehr Südwestseite: „Draußen in Franken," und das am Südfuße
von dem im Norden: „Drinnen in Thüringen."
Kaum erfreut sich gegenwärtig ein anderes Gebirge einer so wohl¬
gepflegten Straßenverbindung und solcher Zugänglichkeit als der Thü¬
ringer Wald, und fast zahllos sind in ihm die anmutig geschlängelten
schattigen Promenadenwege, welche den Fußgänger ohne Beschwerden
auf steile Höhen, zackige Felsen und in wilde Schluchten führen und
ihm überhaupt die reizendsten Partieen der Gebirgsnatur erschließen.
Fast überall begrüßt uns daselbst Anmut und trauliches Leben. Hier
fesselt unsern Blick die reiche Mannigfaltigkeit bewaldeter Hügel und