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2. Laufkäfer hasten durchs Gesträuch
in ihren goldnen Panzerröüchen,
die Bienen hängen Zweig um Zweig
fich an der Edelheide Glöckchen;
die Vögel fchwirren aus dem Kraut,
die Luft ist voller Lerchenlaut.
3. Ein halbverfallen niedrig Haus
steht einfam hier und fonnbefchienen;
der Kätner lehnt zur Tür hinaus,
behaglich blinzelnd nach den Bienen;
fein Junge auf dem Stein davor
schnitzt Pfeifen fich aus Kälberrohr.
4. Kaum zittert durch die Mittagsruh
ein Schlag der Dorsuhr, der entfernten;
dem Alten fällt die Wimper zu,
er träumt von feinen Honigernten. —
Kein Klang der aufgeregten Zeit
drang noch in diefe Einsamkeit.
Theodor Storm.
188. Die Bewohner der deutschen Küste.
Die deutsche Küste von Memel bis Emden bietet eine mannig¬
fache Verschiedenheit ihrer Bewohner; aber alle zeigen ein träges
Wesen, solange sie sich auf dem Lande befinden. Erst wenn sie in
ihrem eigentlichen Elemente sind, zeigen diese Leute eine Rührigkeit
und eine Ausdailer auch bei der härtesten Arbeit, die in Erstaunen
setzt. Es wird fast an dem ganzen, langen Küstenstriche das Plattdeutsch
gesprochen. Die Häuser am Strande sind größtenteils einstockig mit
hohen Strohdächern, von Dämmen umgeben. Überall herrscht große
Reinlichkeit; die Fenster sind spiegelblank; das Holzgerät ist nett, oft
mit glänzendem Wachs abgeneben, was man „gebohnt" nennt. Um
das Häuschen blühen hohe Staudengewächse, hübsche Blumen zieren
die kleinen Gärten. Die Einwohner tragen sich in dunklen Farben,
größtenteils braun, hie und da selbst schwarz. Die Beinkleider sind
kurz und übermäßig weit, die Jacken weit mit großen Klröpfenz, der
Hut ist breitkrempig. Auf den Schuhen, und wo sie sonst schicklich an¬
gebracht werden können, prangen Schnallen; der Charakter dieser
Kleidung ist Bequemlichkeit und Ehrbarkeit.
Der Mensch des Strandes ist nicht zur Fröhlichkeit geneigt. Die
graue, weite Fläche stimmt ihn zum Emste. Dazu kommt die Beschäf¬
tigung, die mit der Gefahr so vertraut macht, denn der Tod lauert als