23. Bulgarien. 
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noch die Minderzahl (1,300,000) aus und werden mit jedem Jahre mehr 
von der schnell anwachsenden christlichen Bevölkerung (den „Rajahs") über- 
slügelt, wozu die Recrutirung und die Seltenheit türkischer Ehen am meisten 
mitzuwirken scheint. Die Muselmänner und' Najahs wohnen in gesonderten 
Dörfern, nur in den Städten finden sich beide Haupttheile der Bevölkerung 
zusammen. Die Hauptsprache dieser gemischten Bevölkerung ist das Türkische, 
und im Interesse der Regierung liegt es, dieser Sprache als der allgemeinen 
des Reiches ihre Stellung zu erhalten. Das Griechische ist hier die officielle 
Sprache der christlichen Kirche in demselben Verhältnisse, wie das Lateinische 
in der römisch-katholischen Kirche. 
Der Boden bildet nördlich von dem Balkan und dessen Vorbergen eine 
wellenförmige Ebene, aber nicht eine im Niveau der Donau'liegende Tief- 
ebene, sondern ein über dasselbe erhabenes Plateau, welches sich meist dicht an 
den Hauptstrom heranzieht und schroff zu diesem abfällt. Diese, der Donau un- 
mittelbar zugewendeten Hänge und Abstürze des Plateau sind am besten an- 
gebaut und am dichtesten bewohnt. Das mit Wald uud üppigen Kornfeldern 
bedeckte bulgarische Ufer der Donau bietet daher einen wechselnden und reiz- 
vollen Anblick im Gegensatze sowohl zu dem monotonen gegenüberliegenden 
walachischen Ufer, als zu dem öden bulgarischen Meeresstrande. Zwischen 
dieser Meeresküste und der Donau liegt die Halbinsel der Dobrudscha, eine 
breite Kalksteinplatte mit wellenförmigem Terrain, 50—100 Äeter über dem 
Spiegel des Stromes und der See. Wegen Mangels an Bewässerung ist 
der Ackerbau äußerst gering; das Gras verdorrt schon im Frühsommer und 
bildet unabsehbare wogende Flächen mit hohen, aber dürren Halmen. Auch 
in der Ebene ist der Mangel an Feuchtigkeit und daher an Vegetation so 
groß, daß man sich im Spätsommer und im Herbst veranlaßt sieht, die Heer- 
den zum Theil auf die Inseln der Donau zu schicken. Der Umstand, daß die 
Vorberge des Balkan nicht mit hohem Waldwuchs, sondern nur mit uiedrigem, 
krüppelhastem Buschwerk bedeckt sind, so wie die Schutzlosigkeit des Landes 
gegen den unmittelbar von den russischen Steppen kommenden Nordwind 
mag zur Pflanzenarmuth des Landes beitragen. Nur etwa ein Fünftel des 
ganzen zum Ackerbau geeigneten Flächenraumes ist augebaut, dieses aber 
liefert, bei der Vortrefflichkeit des Bodens, der keines Düngers bedarf, ein 
massenhaftes Erträgniß an Roggen, Kukuruz (türkischem Weizen) und beson- 
ders an Weizen, dem einzigen bedeutenden Ausfuhrartikel (vorzugsweise nach 
Constantinopel), der eine viel größere Ausdehnung erlangen könnte, wenn 
die Landstraßen besser wären und namentlich zur Zeit uach dem Ausdreschen 
der Früchte im Herbst den Transport aus dem Juuern zur Donau oder 
zu der Meeresküste (Varna, Burgas) nicht zu beschwerlich machten. In Be- 
zug auf Production und Ausfuhr an Vieh steht Bulgarien hinter der be- 
nachbarten Walachei entschieden zurück, und die Viehzucht wird erst eine 
höhere Stufe gewinnen, wenn etwa durch Einwanderung aus Culturländern
	        
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