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Mutter Wort halten will,“ gab ich zur Antwort; „ich habe
ihr versprochen, nie eine Lüge zu sagen.“ — „Kind,“ sprach
darauf der Räuber, „du fühlst schon in deinem Alter so
lebendig die Pflicht gegen deine Mutter, und ich fühle in
meinen Jahren noch nicht, welche Pflicht ich gegen meinen
Gott habe? Gib mir deine Hand, unschuldiger Knabe; auf
deine Hand will ich Treue geloben!“
Er that es. Seine Gefährten standen lange betroffen
und schweigend. Dann aber sprachen sie zu ihrem Haupt¬
manne: „Du bist unser Anführer auf der Bahn des Ver¬
brechens gewesen; sei es nun auch auf dem Pfade der
Tugend!“ Alle schwuren Treue auf meine Hand und eilten,
nach Befehl des Anführers, ihren Raub zurückzuerstatten.
37. Die überwundene Versuchung.
(Johann Ferdinand Schlez.)
Hans (steht plötzlich still, bückt sich und hebt etwas von der Erde).
Ei, sieh doch, Fritz, was ich da finde! Das Ding ist ordentlich
schwer.
Fritz (hinsehend). Das ist ein Päckchen mit Geld; sieh, hier
steht es geschrieben: 50 Thaler.
Hans (hüpfend). O welch ein Glück! Das macht für jeden
von uns fünfundzwanzig Thaler. Laß uns gleich teilen.
Fritz. Du thust ja, Hans, als ob das Geld uns gehörte.
Hans (ihn verwundert ansehend). Rns gehörte? Wem gehört
es sonst?
Fritz. Dem, der es verloren hat!
Hans. Ja, wer weiß, wo der ist!
Fritz. Wir müssen ihn aufzufinden suchen.
Hans. Wie machen wir das denn?
Fritz. Weißt du nicht mehr, was neulich der Lehrer sagte?
Wir tragen das Geld aufs Amt; es wird dann allenthalben
bekannt gemacht, daß Geld gefunden worden sei, und wer dann
beweisen kann, daß er es verloren, der erhält es wieder.
Hans. Und wenn sich keiner meldet?
Fritz. Daun erst dürfen wir es behalten.
Hans. Hör, Fritz, ich wollte, es meldete sich niemand.
Fritz. Das ist nicht wahrscheinlich; eher glaube ich, daß
die Nachfrage nach dem Verlorenen unserer Anzeige zuvor¬
kommen wird.
Hans. Aber — könnten wir nicht —
Fritz. Nun, was denn?