Full text: Lesebuch für die Mittel- und Oberstufe (Teil 2, [Schülerband])

1. Allzeit im Herrn. 
13 
10. Fn die 
1. Soldne Abendsonne, 
wie bist du so schön! 
Nie kann ohne Wonne 
deinen Glanz ich sehn. 
2. Abendglocken singen 
von der Türme Dach 
mit gewaltigem Schwingen 
dir den Abschied nach. 
Z. Und die Hände heben 
zum Gebet sich all; 
die Gebete schweben 
auf zum Glockenschall. 
Mendsonne. 
4. Seht, sie ist geschieden, 
läßt uns in der Nacht; 
doch wir sind im Srieden: 
Der im Himmel wacht! 
5. Du, o Gott der Wunder, 
der im Himmel wohnt, 
gehest nicht so unter 
wie die Sonn', der INond. 
6. wollest doch uns senden, 
Herr, dein ewig Licht, 
daß zu dir wir wenden 
unser Angesicht! «ari s->rth. 
11. Die Loten des Todes. 
Aor alten Zeiten wanderte einmal ein Riese auf der großen Land¬ 
straße; da sprang ihm plötzlich ein unbekannter Mann entgegen und rief: 
„Halt, keinen Schritt weiter!" — „Was," sprach der Riese, „du Wicht, 
den ich zwischen den Fingern zerdrücken kann, du willst mir den Weg 
vertreten? Wer bist du, daß du so keck reden darfst?" — „Ich bin der 
Tod," erwiderte der andre, „mir widersteht niemand, und auch du mußt 
meinen Befehlen gehorchen." Der Riese aber weigerte sich und fing an, 
mit dem Tode zu ringen. Es war ein langer, heftiger Kampf; zuletzt 
behielt der Riese die Oberhand und schlug den Tod mit seiner Faust 
nieder, daß er neben einem Steine zusammensank. 
Der Riese ging seiner Wege, und der Tod lag da besiegt und war 
so kraftlos, daß er sich nicht wieder erheben konnte. „Was soll daraus 
werden," sprach er, „wenn ich da in der Ecke liegen bleibe? Es stirbt 
niemand mehr auf der Welt, und sie wird so mit Menschen angefüllt 
werden, daß sie nicht mehr Platz haben, nebeneinander zu stehen." In¬ 
dem kam ein junger Mensch des Weges, frisch und gesund, sang ein Lied 
und warf seine Augen hin und her. Als er den halb Ohnmächtigen 
erblickte, ging er mitleidig heran, richtete ihn auf, flößte ihm aus seiner 
Flasche einen stärkenden Trank ein und wartete, bis er wieder zu Kräften 
kam. „Weißt du auch," fragte der Fremde, indem er sich aufrichtete, 
„wer ich bin, und wem du wieder auf die Beine geholfen hast?" — 
„Nein," antwortete der Jüngling, „ich kenne dich nicht." — „Ich bin
	        
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