Full text: Lesebuch für die Mittel- und Oberstufe (Teil 2, [Schülerband])

3. Behüte dein Herzt 
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daß euer Herr sich unser erbarme! Ich will hingehen und ihn bitten." 
Darauf ging die Frau mit vier Kindern zu dem reichen Manne; das eine 
aber blieb zu Hause; denn es war sehr krank. Alle flehten inbrünstig, sie 
nicht zu verstoßen, und selbst das kleinste rief: „Bitte, bitte!" — Pohl 
aber sprach: „Meine Befehle kann ich nicht ändern, es sei denn, daß Ihr 
(Sure Schuld sogleich bezahlet." Da weinte die Mutter bitterlich und sagte: 
„Ach, die Pflege des kranken Kindes hat allen meinen Verdienst verzehrt 
uitb meine Arbeit gehindert!" Und die Kinder flehten mit der Mutter, 
sie nicht zu verstoßen. 
Aber Pohl wandte sich weg von ihnen und ging in sein Gartenhaus 
und legte sich aus das Polster, um zu ruhen, wie er pflegte. Es war 
aber ein schwüler Tag, und dicht am Gartensaale floß ein Strom; der 
verbreitete Kühlung, und es war eine Stille, daß kein Lüftchen sich regte. 
Da horte Pohl das Gelispel des Schilfes am Ufer; aber cs tonte ihm 
gleich dem Gewinsel der Kinder der armen Witwe, und er ward unruhig 
ans seinem Polster. Danach horchte er auf das Rauschen des Stromes, 
und es deuchte ihm, als ruhe er am Gestade eines öden, großen Meeres, 
und er wälzte sich auf seinem Pfühle. — Als er nun wieder horchte, erscholl 
ans der Ferne der Donner eines aufsteigenden Gewitters; da war ihm, 
als vernähme er die Stimme des göttlichen Gerichts. 
Nun stand er plötzlich auf, eilte nach Hause und gebot seinen Knechten, 
die arme Witwe wieder ins Haus zurückzuführen. Aber sie war samt 
ihren Kindern in den Wald gegangen und nirgends zu finden. Unterdes 
stieg das Gewitter herauf, und es donnerte und fiel ein gewaltiger Regen. 
Pohl aber war voll Unmut und fand keine Ruhe, wo er auch ging, und 
wo er auch saß. Am andern Tage vernahm er, das kranke Kind sei im 
Walde gestorben und die Mutter mit den andern hinweggezogen. Da 
ward ihm sein Garten samt dem Saale und dem Polster zuwider, und 
er genoß nicht mehr die Kühlung des rauschenden Stromes. Bald danach 
siel er in eine Krankheit, und in der Hitze des Fiebers vernahm er immer 
des Schilfes Gelispel und das Rauschen des Stromes und das dumpfe 
Tosen des aufsteigenden Wetters. Also verschied er. 
Friede. Adolf Grummacher. 
Cin gut Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen. — Lös Gewissen, böser 
Gast; weder Ruhe, weder Rast.
	        
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