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D. Mein Auge sieht, wohin es blickt» die Wunder deiner Werke!
Dafür ist sie aber auch imstande, während der Gefangenschaft bis 6 Monate
lang zu hungern.
Öffnen wir einer Otter den Rachen, so entdecken wir sofort die beiden
Giftzähne, welche hakenförmig gekrümmt und der ganzen Länge nach hohl
sind. Schließt die Otter den Rachen, so legen sich die Giftzähne an den
Oberkiefer zurück und verharren in dieser Lage, bis der Augenblick kommt,
wo sich die Schlange zum Beißen anschickt. Dann richten sie sich blitz¬
schnell empor, füllen sich mit Gift und stellen so zwei furchtbare Waffen
dar. Die durch den Biß verursachte Wunde ist freilich nur unscheinbar;
sie gleicht zwei feinen Nadelstichen und blutet kaum.
Hat jemand das Unglück, von einer Kreuzotter gebissen zu werden, so
ist es gut, wenn die Bißstelle unterbunden und sofort mit starkem Alkohol
ausgewaschen wird. Außerdem muß der Leidende sogleich möglichst viel
Rum oder Schnaps trinken (bis zur Berauschung). Ohne Hilfe und Gegen¬
mittel tritt der Tod oft schon nach 40 bis 50 Minuten ein.
2. Die wohlbegründete Furcht vor der Begegnung mit Kreuzottern
darf indessen nicht soweit gehen, daß uns der Wald dadurch verleidet wird.
Wir würden sonst.zahlreicher, merkwürdiger Beobachtungen verlustig gehen,
zu welchen in erster Reihe das Leben der Insekten Gelegenheit bietet.
Und da sind es besonders die im Walde so häufigen Ameisen, deren er¬
staunliche Leistungen unsre Aufmerksamkeit verdienen. Wir Menschen sind
auf unsern Geist und seine Äußerungen oft gar zu stolz und bedenken nicht,
daß wir in so manchen Dingen von jenen Tierchen überholt und beschämt
werden.
Wie die Bienen, Hummeln und Wespen, so leben auch die Ameisen
in großen Familiengemeinschaften (sogenannten ,,Staaten") zusammen, welche
aus Tausenden von Einzelwesen bestehen, unter denen man Männchen,
Weibchen und Arbeiter unterscheidet.
Allbekannt sind die großen, oft meterhohen Hügel, die man häufig in
Nadelholzwaldungen antrifft, und die durchweg aus dürr gewordenen Fichten¬
oder Kiefernadeln aufgeschichtet sind. Das sind die Wohnungen der roten
Waldameise, die allerwärts bei uns heimisch ist; sie liefert dem Apotheker
den Stoff zur Herstellung eines altbekannten Einreibemittels, des Ameisen¬
spiritus.
Beobachten wir einen Ameisenhügel im Frühjahr bei sonnigem Wetter,
so müssen wir über das geschäftige Treiben erstaunen, welches sich auf
ihm entfaltet.
Fassen wir nun ein einziges Tierchen ins Auge! Hastig suchend läuft
es hin und her; jetzt hat es das Gewünschte gefunden: ein Steinchen oder
einen größeren Holzsplitter. Es packt nun mit seinen kräftigen Kieferzangen
frisch an und schleppt die Last den steilen Hügel hinauf, um sie dort zum
Verstopfen einer Öffnung oder als Stütze für ein baufällig gewordenes Stock¬
werk zu verwenden. Ähnlich wie diese von uns beobachtete Ameise handeln
Hunderte und Tausende neben ihr; daher das Rennen und Laufen, das
Bringen und Fortschaffen kleiner Erdbrocken, das Davonmarschieren und
Zurückkehren ganzer Abteilungen, welche Nahrungsmittel für sich und ihre
Genossen herbeiholen.