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Alte Geschichte. 4. Periode. Römer.
Armin hat nicht lange mehr gelebt; er soll von seinen eigenen
undankbaren Landsleuten ermordet worden sein, weil er sich zu
große Herrschaft angemaßt habe. Doch ruht über der ganzen
Sache ein tiefes Dunkel.
Der Schmerz des Augustus über die Niederlage des Varus
war nur ein Beitrag zu dem vielen Kummer, den er in seiner
eigenen Familie erlebte, und man sieht an ihm wieder recht, daß
Der, welcher sich grobe Verbrechen zu Schulden kom¬
men läßt, nie ein ungetrübtes Glück genießen kann,
wenn auch die Strafe erst spät kommen sollte. Er hatte als
zweite Frau die Gattin eines vornehmen Römers, die Li via,
geheirathet, mit der ein rechter Unglücksdämon in sein Haus ge¬
kommen war. Um diese Heirath ausführen zu können, mußte
sich Livia von ihrem Manne trennen und August verstieß seine
erste Frau, Scribonia, die älter als er war und die er nicht
liebte, weil sie sich stets ernst und verdrießlich zeigte. Livia war
eine lasterhafte, herrschsüchtige Frau, die zwar vielleicht nicht so
schlecht war, wie man sie nachher geschildert hat, aber doch ge¬
wiß ruchlos genug, um das Leben eines Mannes recht zu ver¬
bittern. Sie hatte ihm zwei Söhne zugebracht, die schon erwähn¬
ten Tiberius und Drusus, von denen der ältere, der Lieb¬
ling seiner Mutter, dem August vielen Aerger machte. Dessen
einzige Freude war seine Tochter Julia, aus seiner ersten Ehe-
Außer ihr hatte er kein Kind. Sie wuchs heran, zeigte einen
muntern Geist und war von hoher Anmuth. Außer tf)r hatte
er Niemand so lieb, wie den jungen Marcellus, den Sohn
einer Schwester der trefflichen Octavia. Auch sie hieß Octavia
— man nannte sie die Aeltere und des Antonius Frau die
Jüngere. Es ist schwer zu sagen, welche von beiden Schwestern
die bessere war. Auf dem jungen Manne ruhte der Geist seiner
Mutter, die ihn mit treuer Sorgfalt erzogen hatte und ihn über
Alles liebte. Wirklich verdiente er auch die allgemeine Liebe, in
der er stand. August gedachte, ihm einmal nach seinem Tode
die Nachfolge zu verschaffen, und das ganze Volk sah mit vollen
Vertrauen auf einen so würdigen Thronfolger. An welchen
bessern Mann hätte er seine Julia verheirathen können? Und
August war recht froh über diese Verbindung. Aber noch waren
sie nicht fünf Jahre vermählt, so wurde Marcellus krank und —
starb. August, Octavia und Julia waren untröstlich; das Volk
theilte ihren gerechten Schmerz, und man sagte sich in die Ohren^