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erkennt man, daß ringsherum griine Berge sich erheben. Steile Felsen,
dunkler Urwald krönen ihre Gipfel. Nach Osten schaut man in ein tiefes
Tal, in dem ein Fluß sich brausend hinabstürzt in eine weite, weite Ebene.
Ein silberner Streifen blitzt fern an ihrem Rande, der Indische Ozean.
Über ihm geht um 6 Uhr die Sonne auf und gießt ihr Morgenlicht auf
das Gebirge von Usambara in Deutsch-Ostafrika und über die freundliche
Missionsstation, die um die Kirche sich lagert.
Noch einmal ertönt die Glocke in drei kurzen Schlägen. Nun wird
es lebendig vor den Häusern der Missionare und in den Dörfern der
schwarzen Christen unten im Tal. Muntere Kinder und bedächtige Alte,
die Männer in langen weißen Hemden, die Frauen in bunten Tüchern,
aus denen vom Rücken der Mutter schläfrig das jüngste Kindchen schaut,
so kommen sie den Berg herauf. Still füllt sich die Kirche. Das Morgen¬
lied ertönt. Durch das Wort Gottes und Gebet rüstet sich die Gemeinde
zum Tagewerk.
Draußen bleibt die Schar noch einen Augenblick zusammen. Paulus,
der Gemeindeälteste, der den langen Ebenholzstab trägt, hat noch etwas
bekannt zu machen. Er ordnet an, daß der große Weg, der durch die
Christendörfer ins Tal hinabführt, neu gehackt wird, und er bestellt
Lastträger, die den Missionar auf einer Reise begleiten sollen. Dann geht
ein jeder an seine Arbeit.
2. Die Kinder sind schon vorausgesprungen in ihre Schule. Fröh¬
lich klingt ihr gemeinsames Sprechen aus den offenen Fenstern heraus.
In den verschiedenen Klassen sitzen die Knaben auf ihren Bänken, und
der Lehrer steht vor ihnen, gerade wie bei uns, nur daß sie alle schwarz
sind, Lehrer und Schüler. Mancher von den Buben liest in seinem Lese¬
buch so gut wie ein deutsches Schillkind. Die Schreibhefte brauchen sich
nicht zu verstecken. Nur das Rechllen ist, ach, so schwer; dafür macht die
biblische Geschichte desto mehr Freude, unb schnell fliegen die Finger hoch,
wenn gefragt wird. Nebenan die Mädchen haben eine deutsche Lehrerin.
Nicht nur kleine Schülerinnen sind in der Mädchenschule zu finden, son¬
dern auch Erwachsene, die, obgleich sie schon so groß sind, doch noch etwas
lernen möchten.
3. Auf der andern Seite der Kirche sammelt sich eine Schar Kranker
vor einem kleinen Hause. Aus der Gemeinde, aber auch aus den Dör¬
fern der Heiden kommen sie; denn die heidnischen Zauberer mit ihren
Zaubersprüchen und unsaubern Arzneien können wenig helfen. Hier auf
der Missionsstation wäscht eine deutsche Krankenschwester die Wunden aus
und verbindet sie. Ein schwarzer Krankenpfleger hilft ihr dabei. Dem
Kindchen, das an dem bösen afrikanischen Ausschlag leidet, schmiert er den