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die Hand, verbat sich den Dank und sprach: „Um Gottes willen hast du
gebeten, um Gottes willen hab' ich's getan. Geh mit Gott, Bürger
Narbonne, und lerne etwas in der Fremde."
Die zwei zogen fort, der Bediente auf dem Pferde, der Graf auf
dem Wagen. Ein Stück vor dem Tore fing der Bediente an, zum Schein
den Grafen als einen Taugenichts zu schelten, und schlug ihn, als sie am
Torwart vorbeizogen, mit der Peitsche zweimal über den Rücken. „Fauler
Schlingel," rief er, „halte das Faß besser. Torwart, Ihr glaubt nicht,
was das für ein Schlingel ist; dem steckt das Fest im Kopfe, und er
will nicht aus Paris hinaus." Der Torwart lachte und ließ sie hinaus.
So aber hatte es der Großvater nüt dem Bedienten einstudiert. Der
Graf entkam, und der Bediente fuhr zum andern Tore wieder zur Stadt
herein.
7. Jahre gingen darüber hin. Napoleon hatte Ordnung geschaffen
in Frankreich und gezeigt, was er unter Republik verstehe, und den Fran¬
zosen war's auch recht. Von dem Grafen Narbonne aber hatte mein
Großvater nichts mehr gehört.
Da war eines Abends bei der berühmten Frau von Staël große
Gesellschaft. Mein Großvater, den sie hochschätzte, war auch eingeladen;
sie wollte ihm und sich eine besondere Freude bereiten. Mitten im Abend
rief sie ihn und führte an der Hand einen vornehmen Herrn.
„Graf Narbonne, hier ist der Pfarrer Gambs, der Ihnen das Leben
gerettet", sagte sie.
„Ah so", sagte der Graf vornehm, machte eine Verbeugung und
ging wieder unter das Gewühl der Gesellschaft.
„Ist das sein Dank gewesen, Herr Pfarrer? Sie haben mit der
Gefahr Ihres Lebens einen Elenden gerettet!" rief Frau von Staël.
„Ich würde es noch einmal tun", sagte ernst und feierlich mein
Großvater. Emil Frommet. (Aus der Chronik eines geistlichen Herrn.)
174. Joachim Nettelbeck.
Es ist wohltuend — so schreibt der General Gneisenau in einem
Briefe —, in einer Zeit, wo oft Kleinmut die Herzen beschleicht, das Bild
eines Mannes aufstellen zu können, der an deutschem Sinn und an Mut
Millionen seiner Zeitgenossen voransteht. Joachim Nettelbeck ist 70 Jahr
alt und hat schon in der denkwürdigen Belagerung des Siebenjährigen
Krieges seine Vaterstadt Kolberg verteidigt. In der jetzigen Belagerung
derselben tut er dasselbe als Greis, was er damals als Jüngling tat.
Er ist allgegenwärtig. Zündet der Feind durch seine Haubitzgranaten