Full text: [Teil 3 = (6. bis 8. Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 3 = (6. bis 8. Schuljahr), [Schülerband])

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„Ihr braucht nicht zu bitten, Thomas, daß ich tu', was ich 
kann, für Eure Frau. Ich habe sie gekannt als Kind und habe sie 
kuriert, wie sie als kleines Mädel das Fieber gehabt hat. Ich habe 
ihrer Mutter die Augen zugedrückt, und ich hab’s der Anna sagen 
müssen, sie sei eine Waise. Ich habe mich gefreut, daß sie 
einen so braven Mann bekommen hat. Ich selbst habe weder Weib 
noch Kind, und mir sind alle Leute im Dorfe wie meine Familie. 
Glaubt Ihr nicht, daß ich der Anna hülfe, wenn ich könnte? Thomas, 
mein armer Junge, ich würde gern diesen alten, müden Leib zum 
Sterben hinlegen, wenn ich Euch beide wieder am Herde sitzen 
sehen könnte und die Kinder um Euch herum, fröhlich und gesund. 
Aber es soll nicht sein, Thomas, es soll nicht sein.“ 
„Es ist Gottes Wille, und ich muß es ertragen; aber es ist ein 
schmerzlicher Wille für mich, und ich bin nicht undankbar gegen 
Euch, Herr Doktor, für alles, was Ihr heut' abend gesagt habt", und 
Thomas ging hinein, um zum letztenmal bei seiner Anna zu wachen. 
4. Jeß suchte sich ihren Weg durch den tiefen Schnee auf die 
Hauptstraße mit einer Geschicklichkeit, die sie durch lange Übung 
erworben hatte, und der Doktor unterhielt sich mit ihr nach seiner 
Gewohnheit: ,,0 Jeß, das war ein schweres Werk! Mir wär’s lieber 
gewesen, noch einmal in die Schneewehe zu fallen, als dem Thomas 
sagen zu müssen, daß seine Frau sterben muß. Ich habe gesagt, 
es sei ihr nicht mehr zu helfen, und es ist wahr; denn es ist nur 
ein Mann im Lande, der’s könnte, und da könnte man gerade so gut 
versuchen, den Mond vom Himmel herunterzuholen. Es ist traurig, 
Jeß, daß man das Leben fürs Geld haben kann, und wenn die Anna 
eine Herzogin wäre, so brauchte ihr Mann sie nicht herzugeben. 
Wenn wir ihn morgen hätten, so würde sie wahrscheinlich 
gerettet werden. Aber es ist unmöglich, Jeß, drum eil dich, 
denn wir haben einen schweren Tag gehabt. Aber es wäre das 
Größte, was in unserm Dorfe geschehen ist, wenn man’s zustande 
bringen könnte. Wir wollen zum Drumsheugh1 gehen; er ist besser, 
als die Leute glauben.“ Und der Doktor galoppierte durch das 
Dorf, dessen Lichter auf die weiße, gefrorene Straße schienen. 
„Komm herein, Doktor, ich hab’ dich herreiten hören. Bist 
beim Thomas Mitchell gewesen? Wie geht’s der Frau? Ich 
fürchte, sie ist recht krank.“ 
1 spr.: Dramsjuch.
	        
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