Full text: Für Schüler von 13 bis 16 Jahren (Theil 3)

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war ein kleiner Tisch reinlich gedeckt. Tischzeug, Porzellan, Glä¬ 
ser, alles zeugte von Wohlstand, und erschien, wie man es nur 
in dem Hause eines höheren Beamten erwarten konnte. Lockmd 
standen Weinstaschen auf einem nahen Tische, und an einem Fen¬ 
ster ein sehr liebliches, etwa siebzehnjähriges Mädchm in einem 
grauen, feinen Tuchrock mit kurzer Zacke gekleidet, die Haare zu¬ 
sammengeflochten und mit seidenen Bändern zu einem Kranze ver¬ 
einigt. Sie erschien sehr blöde, bewillkommte aber die Fremden 
mit vieler Anmuth, und Thorstein ging ihr traulich entgegen. 
»Else,« sagte er, »kennst du mich nicht?« 
»Mein Gott, Asbiorn!« rief sie, und reichte ihm sehr fröh¬ 
lich die Hand. »Bist du da, lieber Asbiorn? Wie lange bist du 
weg gewesen! Kannte ich dich doch kaum.« 
Thorstein wandte sich an den Obersten. 
»Ich stelle ihnen hier die Tochter unsers Wirths, des bra¬ 
ven Bauern Hermod Aagesen, vor.« 
Dieser hatte schon die seltene Schönheit des Mädchens, die 
zarte, weiße Haut, das lebendige Auge, den feinen Mund, die An¬ 
muth, mit welcher sie sich darstellte, wahrgenommen, und theils 
durch die unerwartete Erscheinung, theils dadurch, daß er sich als 
bewirtheter Gast von einem Bauer aufgenommen betrachten sollte, 
gerieth er in sichtbare Verlegenheit. Else aber, nachdem sie einen 
alten Bekannten gefunden hatte, ging mit freiem und sichern An¬ 
stande dem Obersten entgegen, reichte ihm die Hand und hieß ihn 
willkommen. In einer Art von Zerstreuung ergriff er die Hand, 
und wider seinen Willen verneigte er sich, indem er sich dieser 
Höflichkeit gegen eine Bauerndirne zu schämen schien. Ein kurzes 
Gespräch knüpfte sich an, in welchem offenbar der Oberst unsicher, 
verwirrt erschien, das Mädchen aber völlig unbefangen. Während 
einer kurzen Unterbrechung nahm Thorstein die Gelegenheit wahr, 
flüsternd zu fragen, ob Adolph nicht da wäre. 
»Er ist«, antwortete Else, indem sie schnell erröthete, »drü¬ 
ben in Allenswang, und wird diesen Nachmittag herüberkom¬ 
men. « 
Jetzt trat der alte Bauer, Hermod Aagesen, in seiner wei¬ 
ßen Jacke, mit einem langen grauen Bart, die spärlichen grauen 
Haare mit einer Mütze bedeckt, herein. Sein männliches, fast vor¬ 
nehmes Aussehen und sein sicheres Betragen imponirte dem Ober¬ 
sten. Zuletzt erschien die Frau, wie die Tochter gekleidet, die Stirn
	        
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