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deutschen Hansestädte kämpften um seinetwillen blutige und siegreiche Kriege
mit den Dänen, Engländern, Schotten und Holländern. Sie brachen den
dänischen Königen ihre festen Schlösser, besetzten ihre Inseln und be¬
haupteten Jahrhunderte hindurch die Herrschaft in Gotland, Schonen und
Bergen. Das war die große Zeit der deutschen Hansa. Nach 1400 aber
änderte der Hering wieder seine Züge und ging an die holländische Küste;
seitdem wurden die holländischen Städte reich und mächtig.
3. War der hanseatische Kaufmann daheim, so zeigte er gern seinen
Wohlstand durch stattliche Kleidung, kostbare Pelze und bunte Farben. Er
trug das Schwert an der Seite und am reichverzierten Gurte die Geld¬
tasche und den Siegelring, worin das wichtige Zeichen seines Geschäftes,
die Hausmarke, eingegraben war. Denn nicht jeder Kaufherr war des
Schreibens mächtig, und durch dieselbe Marke, die von seinen Fässern und
Ballen her an allen Enden der Welt bekannt war, bestätigte er Geld¬
anweisungen und Urkunden, die er durch seinen Schreiber ausstellen ließ.
Aber derselbe Mann trug zur See auch die Friesjacke des Schiffers
und das Panzerhemd des Kriegers. Denn wenn er auf seinem rund-
bauchigen, hochbordigen Fahrzeuge das Meer durchstrich, hatte er nicht
selten mit verwegenen Seeräubern zu kämpfen. Auch in fremden Ländern
mußte er manchen blutigen Strauß bestehen. Doch trug er mit seiner zähen
Ausdauer stets den Sieg davon, und im Gefolge seiner kaustnännischen
Arbeit brachte dann auch das Christentum seine Segnungen in Länder,
die bis dahin völlig unbekannt gewesen waren. So trugen bremische
Kauffahrer in das heidnische Livland Christentum und deutsches Wesen.
4. Die Blüte der Hansa dauerte dreihundert Jahre. Erst nach Auf¬
findung neuer Seewege, als dem Handel neue Bahnen eröffnet waren,
geriet sie in Verfall und hielt 1630 ihre letzte Tagsatzung. Noch heute
führen Hamburg, Lübeck und Bremen den alten Namen „Hansestädte" fort.
Gustav Freitag. iBildcr aus der deutschen Vergangenheit.)
237. Die Wittcmbcrgisch' Nachtigall,
die inan jetzt höret überall.
Wacht auf, es nahet sich der Tag!
Ich höre singen im grünen Hag
eine wonnigliche Nachtigall;
ihre Stimm' durchklinget Berg und Tal.
Gen Westen neiget sich die bracht,
im Osten ist der Tag erwacht.
Die goldigrote Morgenröt'
her durch die trüben Wolken geht,
daraus die lichte Sonne blickt;
des Mondes Schein hat sie erdrückt.
Der ist jetzt worden bleich und
dunkel,
der erst mit seinen: falschen Gefunkel
die Schafe alle hat geblendet,
daß sie sich haben abgewendet
von ihrem Hirten und der Weid'
und haben sie verlassen beid',
bis endlich ruft den Tag mit Schall
die Wittembergisch' Nachtigall.
Nach Hans Lachs. (Gekürzt.)