Full text: [Teil 3 = (6. bis 8. Schuljahr)] (Teil 3 = (6. bis 8. Schuljahr))

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zu Putbus. Dieser segelte oder ritt nie nach Stralsund oder Greifs¬ 
wald, ohne daß er bei uns ansprach und Gebäck, Süßigkeiten und 
andres Schöne aus seiner Tasche schüttelte. Der zweite war ein alter 
preußischer Hauptmann von Wotke aus Hinterpommern, der eine halbe 
Stunde von uns wohnte. Noch heute schwebt mir das alte, gutmütige 
und rosig heitere Gesicht dieses Greises vor, der fast alle Abende zu uns 
kam und mit dem Vater eine Partie Karten oder Damenbrett spielte. 
Am besten aber hatten wir Kinder es, wenn er den Vater nicht zu Hause 
traf. Dann nahm der freundliche Alte mich und meinen Bruder Karl 
auf die Knie und erzählte uns Kriegs- und Mordgeschichten und andre 
wundersame Abenteuer, denen wir mit unbeschreiblicher Lust lauschten. 
An Sonntagen erschien dann auch die Frau Hauptmännin, immer im 
vollen Staate nach der damaligen Weise. Der Alte trug dann meistens 
Uniform, mit herrlich gepuderter Perücke, den Degen an der Seite und 
die silbernen Sporen an den Stiefeln. An solchen Galatagen und vor¬ 
züglich an ben hohen Festen bescherte er den Kindern sehr reichlich, und 
mit Recht schwebt sein liebes Bild nach mehr als sechzig Jahren als das 
eines milder: und freundlichen Christengels vor meinen Augen. Denn 
dieser gute Greis war auch ein Friedensengel und hat mich und meinen 
Bruder Karl öfter von verdienter Züchtigung befreit. 
2. In Schoritz wurden also die ersten Kinderspiele durchgespielt. Es 
war im Jahre 1775 oder 1776, da zog der Inspektor Arndt von Schoritz 
ab, eine halbe Stunde weiter, und ward nun sein eigener,' unabhängiger 
Herr. Der Graf verpachtete nämlich diese Güter, und mein Vater ward 
Pächter von Dumsevitz. Weder er noch die Mutter hatten zu solchem 
Unternehmen hinreichendes Vermögen. Freunde in Stralsund, deren Ver¬ 
trauen er verdient hatte, schossen ihm dazu die nötige Summe vor. 
Wir wohnten nun zu Dumsevitz fünf bis sechs Jahre, ich meine, bis 
zum Jahre 1780. Wir waren ein Viergespann von Buben, und es kamen 
hier bald noch ein Mädchen und ein Knabe hinzu, so daß in Dumsevitz 
das halbe Dutzend voll ward. Was nun das Äußere betrifft, so waren 
wir freilich aus dem Palast in die Hütte versetzt. Dumsevitz war ein 
häßlicher, zufällig entstandener Hof mit einem neuen, aber doch kleinlichen 
Hause. Indessen lagen hübsche Wiesen und Teiche umher nebst zwei sehx 
reichen Obstgärten. In den Feldern gab es Hügel, Büsche, Teiche, Hünen¬ 
gräber, alles in dem unordentlichen Zustande eines noch sehr unvollkom¬ 
menen, ursprünglichen Ackerbaus. Die Natur war, mit Goethe zu reden, 
gottlob noch nicht reinlich gemacht und ihre ungestörte Wildheit mit 
Vögeln, Fischen, Wild und Herden desto lustiger. Auch streiften wir, dem 
fröhlichen Jäger, dem Vater und seinen Hunden folgend, oft darüber hin. 
Hirts Deutsches Lesebuch. Ausg. BD. III. Neubtg. 2
	        
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