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Überall Freude und Frohsinn, am meisten jedoch in dem einen geson¬
derten Teil des Parkes bildenden Volks- oder Wurstlprater, in dem es
hoch hergeht mit Sang und Klang; denn hier häufen sich die Genüsse zu¬
sammen, die nun einmal eng verbunden zu sein scheinen mit der Belustigung
großer Volksmassen. Karussells drehen sich zu den Melodien der Leierkästen;
phantastisch aufgeputzte Ausrufer suchen die Vorübergehenden zu bewegen, die
Herrlichkeiten „weltbekannter" Menagerien, Wachsfigurenkabinette und sonstige
Sehenswürdigkeiten zu bewundern; von der Rutschbahn her ertönt manch
angstvoller Schrei; polternd fallen die Schlüge auf die Eisenblöcke der Kraft¬
messer, während in dem benachbarten Schießstande die Büchsen knallen; hoch
in die Lüfte fliegen die Schaukeln, nnd über die Baumwipfel hinweg hebt
ein gewaltiges Rad die Gondeln, die in luftigem Kreise schweben. Natürlich
fehlt's nicht an zahllosen Erfrischungsstätten mit Musik und Tanz, dichtgefüllt
von einer heitern Menge, die uns lebhaft in ihren einzelnen Gestalten die
Buntscheckigkeit der Völkerkarte des österreichischen Staates veranschaulicht.
Aber welcher Abstammung sie auch sein, welch auffällige nationale Tracht sie
auch tragen und welche Sprache sie sprechen mögen: die sich hier vereint, sie surren
und summen fröhlich die Weise mit, die soeben die Deutschmeisterkapelle ange¬
stimmt, und die im Nu ein immer weiter schallendes Echo erweckt: „'s gibt
NUr a Kaiscrstadt, 's gibt NUr a Wien!" Paul L-ndenberg. (OriginalarUIel.)
203. Eine Fahrt durch Italien.
1. Italien ist für die Deutschen stets ein Land der Sehnsucht gewesen.
Schon unsre Vorfahren, die alten Germanen, lockte der Ruhm und der Reich¬
tum des Landes. Junge Männer, die in den Kriegsdiensten des römischen
Weltreichs gestanden hatten und hernach in die heimatlichen Gaue zurückkehrten,
erzählten von den Wundern des hochentwickelten Landes, von seinem sonnen¬
klaren Himmel und blauen Meere. So weckten sie die Sehnsucht ihrer Stammes¬
genossen, die daheim im Schatten ihrer Wälder geblieben waren, und cs
bedurfte nur eines äußeren Anstoßes, daß sie auszogen mit Weib und Kind
und mit all ihren Habseligkeiten, um sich auf kühnen Eroberungszügen im
Süden, jenseit der Alpen neue Wohnsitze zu gründen.
Dasselbe Verlangen lebte auch noch im Mittelalter bei den Deutschen,
die ihren Fürsten Heeresfolge leisteten. Die Kaiser strebten nach der Verwirk¬
lichung des großen römischen Reiches deutscher Nation, zu der ihnen die Herr¬
schaft über Italien unerläßlich schien. Tausende deutscher Männer und Jüng¬
linge folgten ihnen frohen und mutigen Herzens; denn auf diesen Zügen
durften sie zugleich die ehrwürdigen Stätten sehen, auf denen sich jene großen
Weltereignisse abgespielt hatten, die immer noch in aller Munde lebten.