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auch machte er mit ihnen Krankenbesuche und fuhr mit zu krankem
Vieh. Offen gesteht er, von diesen Leuten manches Nützliche und
Gute gelernt zu haben. Immer trefflicher wurden infolge dieses
eifrigen Strebens seine Kenntnisse, immer mehr Bewunderung er¬
regte seine Arbeitskraft, unübertrefflich war seine Liebe zur Sache
und zu den Mitmenschen. Solchem Arzt schenkte die ganze Stadt
und die Umgegend das Vertrauen im reichsten Maße.
Nach seiner Verheiratung siedelte Heim 1783 nach Berlin über.
Von Gott erbat er sich den Segen für seine fernere Laufbahn. Der
Mann, der in Berlin mit den ersten Männern des Staates und mit
Fürsten verkehrte, ist im vollsten Sinne des Wortes der Mann des
Volkes geworden. Bei dem Einzuge des Königs, 1814, war die
Stadt glänzend illuminiert (feierlich beleuchtet). Heim wollte zu
Pferde an dem Jubel teilnehmen, geriet aber bald hart ins Ge¬
dränge und sollte vom Pferde gerissen werden. Bald aber erkannten
einige den Mann des Volkes und riefen: „Es ist der Doktor Helln.
Dem soll keiner etwas anhaben; der kann reiten, wo er will." Heim
wurde sicher durch die dichtesten Massen geleitet.
Leutselig war der menschenfreundliche Arzt gegen Niedere und
Arme, freimütig gegen Hohe und Vornehme. Oft fand er nachts
keine Ruhe, wenn ihm ein Mittel einfiel, durch das diesem oder
jenem Kranken vielleicht geholfen werden könne. Dann stand er
auf und traf seine Anordnungen. Einst loar er durch drei Nacht¬
wachen ermüdet und erschöpft. In der folgenden Nacht sollten
alle Hilfesuchenden abgewiesen werden. Da kam ein jammernder
Vater, dessen Kind im Sterben lag. Er wurde zwar fortgeschickt,
bat aber nach einer Stunde noch dringender. Heim kämpfte einige
Zeit mit sich, blieb jedoch auf seiner Gattin Wunsch liegen und be¬
schwichtigte durch den Gedanken an die Pflicht der Selbsterhaltung
sein Gewissen. Plötzlich aber erwachte in ihm der Gedanke: „Gott
hat dir im Leben so viel Liebe erzeigt, solltest du nicht auch einmal
ihm etwas zu Liebe tun?" und es währte nicht lange, so war er am
Bette des kranken Kindes.
Eine Prinzessin wollte ihn zu ihrem Leibarzt wählen, ließ ihn
aber in ihrem Vorzimmer bei seinem ersten Besuche sehr lange
warten. Als er endlich vorgelassen wurde, erklärte er der hohen
Frau unumwunden, er müsse drei Bedingungen stellen: Die Prin¬
zessin dürfe ihn nicht mit „Er" anreden; da ferner viele Leute seiner
bedürften, könne er im Vorzimmer nicht warten; auch möge sie ihn
königlich bezahlen.
Heim berichtet in seinem Tagebuche: „Seit vierzig Jahren
haben arme Kranke freien Zutritt bei mir gehabt und Rat und Hilfe
erhalten. Ihre Zahl belief sich monatlich auf fünf- bis neunhundert.
Des Morgens um 8 Uhr, wo ich auszufahren pflegte, war ich meist
schon wie gekocht und ganz ermattet." Bereits während des An¬
kleidens und Rasierens begannen die Armenkuren. Nur vier bis
fünf Stunden gönnte er dem Schlafe. Die Zahl der täglichen
Krankenbesuche betrug mehr als 60. Nur eine streng geregelte