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gefunden. Dieses ist zwar lehmig; aber es erfrischt und belebt
bis in die Fingerspitzen hinein. Zuerst werden die Verwundeten
gelabt, hernach die Schützenlinie. Dieser Wasserfund war unsere
Rettung und gab alsbald der ganzen Abteilung wieder frische
Kraft und freudige Zuversicht auf siegreiches Gelingen. Aus der
Schützenlinie durften die einzelnen nacheinander vorsichtig zum
Trinken zurückkriechen. Trotz dem gefundenen Wasser blieb die
Lage der Abteilung jedoch bitter ernst. Unsere Batterie konnte
noch notdürftig zwei Geschütze bedienen und besaß nur eine
ganz geringe, für den alleräußersten Fall aufgesparte Munition.
Die drei schwachen Kompanien waren durch den Verlust an
Toten und Verwundeten auf etwa 100 Gewehre zusammenge¬
schmolzen. Wie lange vermochte unser Häuflein dieser Stellung
und dieser Übermacht noch zu trotzen?
Am Morgen des 4. Januars, unseres dritten Gefechtstages,
setzte das Feuer schwächer ein. Es stand fest, daß große Haufen
der Feinde abgezogen waren. In dem Führer reifte der Entschluß
zu einer rettenden Tat, die Sieg oder Untergang bringen mußte:
die Wasserstelle sollte gestürmt werden, koste es, was es wolle.
Nachdem das letzte in der Nacht herangeschaffte Wasser in der
Schützenlinie verteilt war, wurde der Gegner mit einem gewaltigen
Feuer aus Gewehr und Geschütz überschüttet. Gegen 11 Uhr
wurden die Seitengewehre aufgepflanzt, und nunmehr erhob sich
die stark gelichtete Linie zum letzten Sturmanlauf. Ein mörderisches
Feuer schlug den Stürmenden entgegen. Der Mut der Verzweif¬
lung belebte die Kräfte der scheinbar dem Tode Geweihten zu
einer letzten, fast übermenschlichen Anstrengung; mußte schon das
Leben gelassen werden, so sollte es wenigstens so teuer wie
möglich zum Ruhme der deutschen Waffen verkauft werden. Als
der Feind die von wilder Entschlossenheit und Todesverachtung
erfüllte Schar, deren zum Stoß gefällte Bajonette hell in der Sonne
blitzten, immer näher auf sich zu kommen sah, brach plötzlich
seine Widerstandskraft zusammen; in wilder Flucht und laut
schreiend verließ er seine Stellungen. Die Wasserstelle war ge¬
nommen, die furchtbare Felsenfeste des Feindes in unseren Händen.
Es war ein Kampf ausgefochten worden, wie er schwerer und
aufreibender, aber auch ruhmvoller wohl selten je zuvor von
deutschen Soldaten gekämpft worden ist. Jener Sturmanlauf mit
den halbverdursteten, durch ein 54stündiges Gefecht erschöpften