Full text: [Teil 3 = Sechstes - Achtes Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 3 = Sechstes - Achtes Schuljahr, [Schülerband])

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den nächsten Angehörigen, die nicht mit übertreten wollen, ferner 
mit Verlust von allem Eigentum, das dem Übertretenden von Rechts 
wegen gehört, und mit Verlust auch der Arbeit, die er hatte, so¬ 
lange er noch Glied seiner Kaste war. Solche Hindernisse stellen 
nicht geringe Anforderungen an den sittlichen Mut. Wie manche 
unter den Hindu, die ich kennen lernte, würden in die Christen¬ 
gemeinde eintreten, wenn nur diese Schwierigkeiten nicht wären! 
Davon ein Beispiel: 
Etwa eine Stunde von Kannanur entfernt, ganz in der Nähe 
einer meiner Filialgemeinden, lebt ein heidnischer Rechtsanwalt, 
der mir persönlich nahesteht — wir besuchten einander wieder¬ 
holt — und mit dem ich Briefe wechsle. Unter einer einheimischen 
Regierung hätte er als Angehöriger der Palmbauernkaste den Beruf 
eines Rechtsanwalts niemals ergreifen können; daß er es geworden 
ist, verdankt er der englischen Regierung, unter der Indien steht 
und die einem jeden Hindu, der studieren will und die Mittel 
hat, ohne Ansehen der Kaste Gelegenheit dazu bietet. Wohl¬ 
habend und angesehen ist dieser Mann, auch gebildet und in 
verschiedenen Gebieten des Wissens zu Haus. Neben der Landes¬ 
sprache spricht er das Englische fließend und richtig. AIs ich 
einmal bei ihm war, lag das Neue Testament auf seinem Schreib¬ 
tisch, und das Aussehen des Buches bewies, daß es fleißig ge¬ 
lesen wurde. Welch hohe Meinung er von Christus und dem 
Christentum hat, ist ersichtlich aus einigen Schriften, die er im 
Druck erscheinen ließ und in der Absicht verfaßte, damit etwas 
zur Hebung der Lage seiner Kastengenossen, der Palmbauern, 
beizutragen. So sagt er in einer solchen Schrift über Jesus u. a. 
folgendes: »Ich für meinen Teil bezweifle, daß jemals in der Welt 
ein Lehrer aufgetreten ist, der so heilig und rein war wie er, bei 
dem Worte und Taten so übereinstimmten wie bei ihm, der so 
durchdrungen war und erfüllt von Gottes- und Bruderliebe wie er. 
Unter Menschen steht er in seiner Größe einzigartig da.« Ist das 
nicht ein schönes Zeugnis aus dem Mund eines Heiden, der mit 
seiner Hindureligion wohl bekannt ist? Wie kommt es, daß dieser 
Mann bei seiner hohen Meinung von Christus und dem Christen¬ 
tum nicht selber ein Christ wird? Das Haupthindernis ist eben 
auch für ihn die Kaste. Seine Frau ist allerdings nicht mehr am 
Leben; aber er weiß, daß seine übrigen Angehörigen, Brüder und 
Schwestern, ja vielleicht auch ein Teil seiner eigenen Kinder, im
	        
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