Full text: [Teil 3 = Sechstes - Achtes Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 3 = Sechstes - Achtes Schuljahr, [Schülerband])

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230. Der Lindenbaum. 
und seine Zweige rauschten, 
als riefen sie mir zu: 
„Komm her zu mir, Geselle, 
hier findst du deine Ruh!" 
3. Die kalten Winde bliesen 
mir grad ins Angesicht; 
der Hut flog mir vom Kopfe, 
ich wendete mich nicht. 
Nun bin ich manche Stunde 
entfernt von jenem Ort, 
und immer hör ich's rauschen: 
„Du fändest Ruhe dort!" 
Wilhelm Müller. 
231. Die Rose. 
Schon seit alten Zeiten gilt die Rose für die Königin der Blumen; 
keine andere kommt ihr an Schönheit und Anmut gleich. Aber erst 
unter der Hand des Menschen hat sie ihre hohe Vollendung erreicht; 
denn die wilde Rose hat nur fünf Blumenblätter, die schnell ver¬ 
gehen und nur schwachen Duft ausatmen. Anmutig freilich ist der An¬ 
blick unserer wilden Heckenrosen, wenn der grüne Dornbusch mit 
Hunderten von großen weißen oder blaßroten Blumensternen ge¬ 
schmückt ist. Doch ihre volle Schönheit hat die Rose erst gewonnen, 
seit sie vom Waldrand in den Garten verpflanzt, vom Menschen in 
Obhut genommen und vervollkommnet worden ist; noch jetzt über¬ 
rascht sie von Jahr zu Jahr durch immer neue und vollendetere Formen. 
Werden die Samen von gewissen wilden Rosen in fruchtbaren 
Gartenboden ausgesät, so werden sich freilich die meisten der jungen 
Pflanzen in ihren Blüten wenig oder gar nicht von der Mutterart 
unterscheiden. Aber die eine oder die andere unter ihnen wird viel¬ 
leicht größere Blumen mit vermehrter Blätterzahl hervorbringen. 
Unter ihren Nachkommen pflegen sich noch vollkommenere Formen 
zu finden; werden immer wieder nur die schönsten Blüten zur Nach¬ 
zucht benutzt, so gelingt es wohl endlich, eine Rose heranzuziehen, 
die an Schönheit alle ihre Schwestern übertrifft. Ist dieses Glück 
dem Gärtner nach jahrelangen Mühen zuteil geworden, so vermehrt 
er seinen Besitz, indem er von dem edlen Stock einzelne Reiser oder 
1. Am Brunnen vor dem Tore, 
da steht ein Lindenbaum; 
ich träumt in seinem Schatten 
so manchen süßen Traum; 
ich schnitt in seine Rinde 
so manches liebe Wort; 
es zog in Freud und Leide 
zu ihm mich immer fort. 
2. Ich mußt auch heute wandern 
vorbei in tiefer Nacht, 
da hab ich noch im Dunkel 
die Augen zugemacht;
	        
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