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und die späteren eingehenden Untersuchungen vervollständigten nun
noch das vorhin gegebene Bild der gewaltigen Katastrophe. Es zeigte
sich, daß die Hauptverwüstungen durch ausgedehnte Aschenregen
jenseit des Ringwalles angerichtet worden waren, wo man, eben
wegen dieses Schutzwalles, am wenigsten solches Ungemach voraus¬
sehen konnte. Die am Nordfuße des Walles gelegenen Ortschaften
Somma, Ottajano und San Giuseppe wurden in jener Nacht von
halb 10 Uhr ab mit heißer Asche und später mit glühenden Steinen
überschüttet, die unter beständigem Donnern und Blitzen nieder¬
prasselten, mit ganzen Fetzen von glühender Lava untermischt. Am
dichtesten fiel der glühende Hagel gegen 2 Uhr hinab, um dieselbe Zeit,
als wir von Kapri aus die letzte große Explosion beobachteten. In
Ottajano sind die meisten schwer massiv gebauten flachen Dächer der
Häuser von der Schwere der auslastenden Asche eingedrückt worden.
In San Giuseppe stürzte das Dach der Kirche über mehr als hundert
Menschen zusammen, die darunter begraben wurden. Durchschnittlich
75 cm hoch lagen die Asche und die Lapilli (so nennt man die erbsen-
bis walnußgroßen Stücke von Lava, die bei solchen Ausbrüchen aus¬
gestoßen werden). Alles Kulturland in einem weiten Halbkreise hier
im Norden des Walles ist auf lange Jahre verwüstet. Ottajano, das
vordem 15000 Einwohner zählte, ist ein neues Pompeji geworden, aus
dem man freilich einstmals keine so gediegenen Kunstschätze wieder her¬
vorgraben wird wie aus den Trümmern der unglücklichen Römerstadt.
Der Vesuv hatte nach der Katastrophe seine Gestalt wesentlich
verändert. Er war um volle 100 in niedriger geworden. Die Öffnung
des Kraters hatte vorher einen Durchmesser von etwa 60 m, jetzt
betrug er 650 m. Die Grube war, als ich im Jahre 1903 noch hinab¬
blicken konnte, wohl kaum 50 m tief; jetzt schätzt man sie auf 300 m. Die
ganze Kuppe des Vulkans ist also bei den Explosionen in jener Nacht
auf den 8. April 1906 in die Luft geblasen und in ungeheurem Bogen
über den Wall hinweg auf jene Ortschaften hinabgestürzt worden."
Von ganz anderer Art und noch weit unheilvoller war der Aus¬
bruch des Mont-Pelêe auf der Antilleninsel Martinique am 8. Mai 1902.
Dieser Vulkan hatte seit 1851 völlig geruht und sich bis zu seinem Gipfel
mit üppigem Pflanzenwuchs bedeckt. Oben, in einer alten Krater¬
einsenkung, befand sich ein See mit klarem, kaltem Wasser. Nur an
wenigen Stellen des Berges kamen schweflige Dämpfe aus Spalten.
Vom Gipfel gegen Süden, wo in einer Entfernung von ungefähr
8 km die Stadt Saint-Pierre liegt, hatte das Regenwasser einen