Full text: [Teil 3 = Sechstes - Achtes Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 3 = Sechstes - Achtes Schuljahr, [Schülerband])

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Prinz sah das, ergriff Gellerts Hand und sagte: „Edler Mann, er¬ 
lauben Sie mir, Ihnen ein Pferd zu verehren, dessen fromme Art es 
zu einem Reitpferd für einen Mann des Friedens geeignet macht." 
Gellert wollte danken, aber die Worte stockten. Der Prinz selbst war 
tief bewegt und sagte: „Ein Geschäft ruft mich jetzt ab. Leben Sie 
wohl, teurer Mann!" 
Gellert brauchte Zeit, sich zu sammeln. Als er nach Hause kam, 
hieben die Holzspalter drauflos, und es stand ein wunderschönes 
Roß mit prächtigem Sattel und stattlich gezäumt vor der Tür, und 
seine Hauswirtin rief ihm zu: „Herr Professor, es geschehen Wunder 
und Zeichen!" Gellert aber dichtete aus dankerfülltem Herzen das Lied: 
Wie groß ist des Allmächtigen Güte! 
Ist der ein Mensch, den sie nicht rührt? 
Am Abend kam der Doktor. Da gab ein Wort das andere, 
und der kleine, dicke Mann wollte fast zerspringen vor Lachen und 
Herzensfreude, und endlich rief er, indem er Hut und Stock nahm: 
„Diesmal hat Gott selbst die rechten Rezepte verschrieben und gleich 
dafür gesorgt, daß die rechten Apotheker sie machen mußten." 
Nach W. O. von Horn (Wilhelm Ortel). 
54. Sommernacht. 
1. In meiner Heimat grünen Talen, 
da herrscht ein alter, schöner Brauch: 
wann hell die Sonnensterne strahlen, 
der Glühwurm schimmert durch den Strauch, 
dann geht ein Flüstern und ein Winken, 
das sich dem Ährenfelde naht, 
dann geht ein nächtlich Silberblinken 
von Sicheln durch die goldne Saat. 
2. Das sind die Bursche, jung und wacker, 
die sammeln sich im Feld zuhauf 
und suchen den gereiften Acker 
der Wrtwe oder Waise auf, 
die keines Vaters, keiner Brüder 
und keines Knechtes Hilfe weiß; 
ihr schneiden sie den Segen nieder, 
die reinste Lust ziert ihren Fleiß.
	        
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