Full text: [Teil 3, [Schülerband]] (Teil 3, [Schülerband])

L. Aus der Natur. 
1. Der Frühling. 
Es flogen die Vögel davon im vorigen Jahre zu einer Zeit, da 
die Sonne noch warm über unsern Häuptern schien, da noch keine 
Stuͤrme die Nacht furchtbar machten, da noch ein großer Überfluͤß auf 
unsern Weiden und Feldern für sie bereit lag. Wir wußten wohl, was 
ihr Abzug bedeutete, nämlich des Sommers Ablauf und des Winters 
Annäherung. Sie ließen sich nicht zum Bleiben verlocken. Ihr Schöpfer 
hat ihnen den Trieb nach einem wärmeren Lande eingepflanzt und 
ihrem Leibe Flügel gegeben, dasselbe ferne Land zu erreichen. Sie 
flogen davon und sahen den allgemeinen Tod nicht. Viele Tausende 
von Geschöpfen anderer Art, die ihnen nicht folgen konnten, gruben 
sich verborgen ihr Grab und legten sich selbst hinein, schweigend er— 
wartend, ob Gott sie wieder erwecken werde aus dem langen Winter— 
schlaf. Denn allmählich fing auch die Erde an zu altern, die Mutter 
der Lebendigen; die grüne Farbe ward blässer, die gelbe Saat brachte 
der Ackersmann in seine Scheunen, täglich ward die Stoppel weißer. 
Zuletzt suchte das Vieh auch seinen Stall wieder, das draußen nicht 
mehr dem Frost und dem Hunger widerstehen konnte, die Nacht ward 
länger als der Tag und immer dunkler. Des Lichtes und der Wärme 
beraubt, fiel das Laub von den Bäumen, ein Spiel der Winde. 
Heftiger wehten die Winde und schlugen Wellen zwischen den Feldern 
auf den ausgetretenen breiten Gräben; der Himmel war nicht freund— 
lich mehr, darum trauerte die Erde. Alle Gewächse hatte sie verloren, 
ihre liebsten Kinder; sie war allein noch und starb auch. Stirbst du, 
so will ich dir ein Sterbekleid anziehen, und der Himmel bedeckte die 
Erde mit dem schönsten Weiß und mit seinem reinen Schnee. Der 
Sperling, der fast allein, sah es an; er verließ nun auch die Flur, 
die ihm kein Körnchen geben konnte, und suchte die Wohnungen der 
Menschen. Wir alle blickten hinaus in die öde, stille, totenstille Natur 
und fragten uns: Werden wir den Frühling erleben? Manchen 
Bruder und manche Schwester mußten wir in die harte Erde begraben.
	        
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