Full text: [Teil 3, [Schülerband]] (Teil 3, [Schülerband])

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4. Der Sommermorgen. 
Die Natur feiert an jedem Sommermorgen ein Fest ihrer eigenen 
Schönheit, und selbst den rohen Wilden erschüttert die Gewalt dieser 
göttlichen Erscheinung. 
Die Nacht hat ihr erquickendes Werk vollbracht; sie hat dem 
Müden neue Kräft, sie hat dem Kranken balsamischen Schlummer, 
dem Unglücklichen Träume des Trostes gegeben. Nahe ist die Stunde 
des Erwachens aller. Schon umschwimmt eine blasse Dämmerung 
die Hügel und Wälder; Hütten und Gebüsche treten schon verworren 
und klarer aus den geheimen Finsternissen, und silberweiße Nebel 
lagern auf den Wiesen und über den Flüssen enger zusammengedrängt. 
Zu den Wolken des Himmels steigt singend die Lerche, um den wer— 
denden Tag zu begrüßen; aus der Ferne herüber tönt des Hahnes 
Krähen und verkündet den anbrechenden Morgen. Kalt und düuüͤster 
schweben wie riesenhafte Schatten am Rande des Gesichtskreises die 
hohen Gebirge. 
Immer heller glänzen die Farben der nahen Gegenstände. Der 
Morgenstern funkelt blaß über Gewölbe nieder, deren Saum sich in 
der Tiefe entzündet und mit dunkler Glut über die Fluren leuchtet. 
Ein goldenes Feuer strömt durch den ganzen Himmel herauf, es wird 
gewaltiger von Augenblick zu Augenblick. Die Gipfel der Berge 
lodern wie Flammen auf Opferaltären; Verklärung umfließt die Haine 
und Höhen, und selbst die Wolken des Abends leuchten herrlich zurück. 
Die Vögel in den Gebüschen erwachen und entflattern ihren Nestern; 
die Herden werden rege; der tätige Landmann tritt vor die Hütte 
in die Wohlgerüche der blumenreichen Flur hinaus. Aber tiefe Stille 
waltet noch immer in der Welt, und wie in großer Erwartung liegt 
alles lauschend da. 
Und ein kühler Hauch von Morgen her durchschauert alle Wesen, 
durchbebt die bluͤhenden Zweige des Baumes, und die Blumen des 
Feldes zittern darin. Die Gebirge erglänzen. Wie schimmernde Rauch— 
säulen wälzen sich plötzlich die Nebel von Wiesen und Strömen gen 
Himmel empor. Es rauscht freudiger die Welle des Bachs; die Luͤfte 
ertönen vom Gesange mannigfaltiger Vögel; frohes Leben rauscht in 
Dörfern und Städten — die ganze Erde jauchzt, der ganze Himmel 
flammt — die Sonne ist aufgegangen! O, welch ein Gewühl von 
reizenden Farben und Tönen! Welch ein begeisterndes Schauspiel, 
diese Weltschöpfung aus dem Leeren und Wüsten der Nacht! Gottes 
Tempel ist aufgeschlossen. Die Sonne hat den heiligen Vorhang hin— 
weggezogen von der Herrlichkeit der Schöpfung. Der Erdbäll ist ein 
einziger Altar. Alles, was Odem hat, preiset durch freudiges Gefühl 
den verborgenen Vater, den so viel Glanz umhüllt. Der Morgen— 
verschwindet, um anderen Welten die Macht des Schöpfers zu 
preisen.
	        
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