— 325 —
gehörte nur der westliche Teil von Deutschland und der östliche von
Frankreich zur fränkischen Herrschaft. Karl war es, der durch Be—
siegung des Longobarden Desiderius Norditalien, durch mehr als
dreißigjährige Kämpfe mit den Sachsen, denen er das Christentum
aufzwang, Norddeutschland bis zur Elbe, durch einen Zug nach
Spanien das Land bis zum Ebro gewann. In einem Feldzug gegen
die Avaren, die von Ungarn her an der Donau vordrangen, rückte
er die Grenzen seines Reichs bis an die Raab. So erstreckte es sich
von hier aus bis zum Ebro, zur Eider, bis tief nach Italien hinein.
In diesem Lande hatte Karl auch mehrfach Gelegenheit, sich dem Papste
gefällig zu zeigen. Zum Danke daͤfür setzte ihm dieser — er hieß
Leo III. — die römische Kaiserkrone auf. Vamit ging also die
Würde jener alten römischen Kaiser, welche dereinst die christliche
Welt beherrscht hatten, an Karl über; er galt fortan als oberster
Schirmherr aller christlichen Völker. Es wat eine neue Weltherrschaft
begründet, und ihr Scepter lag in der Hand eines Deutschen.
Mit starkem Arm hat Karl sein gewaltiges Reich regiert. Er
teilte es in Gaue; in jedem saß allmonatlich, umgeben von 7—212
Schöffen, ein Gaugraf im Namen des Kaisers zu Gericht; im Kriege
führte dieser den Heerbann des Gaues. Aber nicht bloß um die
großen Geschäfte des Staats kümmerte sich der Kaiser; auch das
Kleinste entging seiner Fürsorge nicht. Genau zählte er die Eier,
welche ihm die Verwalter von seinen Gütern schickten; er befahl,
welche Fruchtbäume gesetzt werden sollten, und wenn en in der Kirche
war, paßte er scharf auf, daß seine Sänger keine falschen oder rauhen
Töne anstimmten.
Unermüdlich suchte er die gelehrtesten und begabtesten Männer
an seinen Hof zu ziehen; mit diesen verkehrte er ganz wie mit seines—
gleichen. Als er in Italien die vielen Prachtbauten aus der alten
Römerzeit gesehen hatte, faßte er den Entschluß, auch in seinem Reiche
ähnliche Werke der Baukunst herstellen zu lassen. Da ließ er denn
ganze Säulen, aber auch einzelne Ornamente, Kapitäle und Zieraten
nach Deutschland fahren, die er in Ravenna und Rom von den alten
Gebäuden hatte abformen lassen. Er baute zahlreiche Kirchen und
Klöster, denn der christlichen Religion war er mit Ehrfurcht und
frommer Liebe zugetan. Ein besonders herrliches Gotteshaus er—
richtete er in Aachen. Dort ließ er sich auch einen Palast bauen.
Denn er liebte das Wasser der warmen Quellen und üͤbte seinen
Leib so trefflich im Schwimmen, daß es ihm niemand darin zuvor⸗
tat. Oft lud er nicht nur seine Söhne oder die Vornehmen seines
Hofes, sondern auch die ganze Schar seines Gefolges und seiner
Leibwächter zum Bade, so daß bisweilen hundert Menschen und mehr
zusammen badeten.
Für die Bildung seines Volkes tat er, was in seinen Kräften
stand. Er sorgte, daß Schulen gegründet wurden, und überwachte