Full text: [Teil 3, [Schülerband]] (Teil 3, [Schülerband])

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bisherigen Lebens offener Ungehorsam, Auflehnung des Soldaten gegen 
den Kriegsherrn, Verführung der Armee. Und doch erschien das alles 
unter der ungeheuren Wucht der Ereignisse als leere Formsache. Auch 
der König sah ja im Grunde der Seele in Napoleon nur seinen 
Feind, es galt die Rettung oder das Verderben des Vaterlandes, jetzt 
oder nie. Eine Fügung Gottes, daß ein Mann wie dieser gerade 
an dieser Stelle stand, als ewiges Denkzeichen, daß für den sittlichen 
Menschen damals keine Wahl blieb. York faßte plötzlich, als die 
Russen schon an ihm verzweifelten, seinen Entschluß. Er schrieb dem 
Könige: Ich lege mein Haupt Euer Majestät zu Füßen und bin 
bereit, mein ungesetzliches Verfahren auf dem Sandberge zu büßen. 
Aber er zeichnete am 30. Dezember 1812 die Konvention von Tau— 
roggen, wodurch er sich und seine Truppen von den Franzosen trennte 
und trotz des französisch-preußischen Bündnisses neutral stellte. 
Der Eindruck dieser Tat ging wie ein Erdbeben durch Deutsch— 
land und Europa. Napoleon erkannte, daß es keine Tat militärischer 
Rebellion, sondern der Beginn eines unabsehbaren Volkskrieges waär. 
Der König von Preußen war wie vom Donner gerührt, zunächst 
erbittert über Yorks Eigenmächtigkeit: ja er verfügte gegen ihn Ab— 
setzung und Kriegsgericht. Aber die russischen Vorposten ließen davon 
keine Nachricht an ihn selbst gelangen. In Ostpreußen aber war 
durch Yorks Entschluß alles verwandelt. Ganz von selbst kamen die 
Russen über die Grenze; York, strenger und verschlossener als je, 
wurde in Königsberg mit unendlichem Jubel empfangen; durch die 
ganze Provinz tönte sein „etzt oder niemals“ in allen Herzen wieder. 
Einige Wochen verlegener Spannung hatte man noch durchzu— 
machen, so lange die Beistimmung des Königs noch nicht ausgesprochen 
war. Indessen pflanzte sich die Erhebung und Begeisterung der Ge— 
müter unaufhaltsam durch die Lande fort; auch der König vermochte 
ihr nicht mehr lange zu widerstehen. Er war freilich durch die Wucht 
seines Unglücks in Kraft und Vertrauen geknickt, vollends seit dem 
Tode der Königin Luise, die recht eigentlich an dem Sturz ihres 
Landes dahingeschwunden war. Er hatte nicht den Mut, an sich 
und an sein Volk zu glauben: aber wie gern ließ er sich doch durch 
Scharnhorsts schöne und warme Ruhe überreden! Am 22. Januar 
1813 entschloß er sich, Berlin wegen der Nähe der Franzosen zu ver— 
lassen und seine Residenz in das freie Breslau zu verlegen. Am 3. 
Februar erschien ein königlicher Aufruf, welcher alle jungen Männer 
von 17 bis 24 Jahren, die nicht bei dem Heere wären, einlud, als 
freiwillige Jäger die Waffen zu ergreifen. Die Wirkung war wie 
der Funke in einer weitverzweigten, überall geladenen Mine. Nach 
wenigen Tagen war es auch dem Blödesten deutlich, daß hier kein 
Zurückgehen, kein Halten möglich war. Wenige Wochen vergingen, 
da schloß der König das Bündnis mit Rußland. Am 16. März 
folgte die Kriegserklärung gegen Frankreich, am 17. das Gesetz über
	        
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