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lust ihres Mannes und all das Entsetzliche, das über sie hereinge—
brochen, hatten den Todeskeim in ihr Herz gesenkt. Und das hatte
ruhig brechen können; denn ihre Kinder lagen ja in Barbaras Armen.
Gepriesen sei diese Frau! Solange die Sonne am Himmel stand,
legte sie die Klöppel nicht aus der Hand, und das mußte der beste
Sporn für alle übrigen sein. Und mit der Freudigkeit und Hoff—
nung wuchsen die Spitzenvorräte, und die rüstigsten Männer zogen
mit der fertigen Ware immer wieder von dannen, durch ganz Sachsen
und Böhmen. Erst der strenge Winter gebot ihnen Einhalt. Als
dann der Frühling und der Sommer kamen — welch ein Abstand
gegen das vorige Jahr! Kerngesundes Vieh im Stall und auf den
Wiesen, Segen auf den Feldern, und die Menschen glücklich. Denn
auf des Bergherrn Bitte war ein studierter Herr aus Kölln an
der Spree zur nochmaligen Untersuchung der Gruben gekommen.
Dieser hatte erklärt, daß die Gruben im Schrecken- und Schotten—
berge nicht ausgebraucht seien; man müsse nur verstehen, sie auf die
rechte Weise zu öffnen. Der kluge Mann ließ von dem schwarzen
Pulver herbeibringen, von dem die Annaberger bisher noch keine
Ahnung gehabt hatten. Hei, wie das krachte und platzte, wie da
die Wände barsten und Silber- und Kobaltstufen in unabsehbarer
Menge bloßgelegt wurden!
In diesem Sommer war es auch, daß Barbara eine Reise nach
Brüssel unternahm. Sie wollte frische Kräfte nach Annaberg ziehen,
um so auch die Anfertigung seidener Spitzen einzuführen. Die
ganze Welt weiß, daß ihr dies aufs beste gelungen ist. Der Berg—
bau ist in Annaberg seit vielen Jahren verschwunden; aber die
Herstellung von Spitzen, Posamenten, Litzen und Schnüren bildet
heute den Haupterwerb der Bewohner des Erzgebirges. Und wie
würde es wohl hier aussehen, wenn nicht Christoph und Barbara
Uttmann gewesen wären? Als unsere Frau von Brüssel zurückkehrte,
fand sie ihren Gemahl auf dem Krankenlager, von dem er sich nicht
wieder erhob. Was hätte sie in ihrem Schmerze besser trösten kön—
nen als der Friede und das Glück, die ringsum walteten? Solange
noch ihr Herz schlug, schlug es nur für ihre Kinder, für die Kinder
der Brabanterin und für alle, die im Weichbilde Annabergs wohn—
ten. Sie hatte noch ein langes und durch das Glück anderer be—
glücktes Leben. Als sie starb, ward sie neben Christoph und der
Brabanterin hinabgesenkt, an einem Frühlingstage. Ein Denkmal
erhebt sich jetzt zu Häupten der drei Huügel, und in der großen Linde
jubilieren die Voͤglein.