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ist aber ein Irrtum; denn Kiautschou ist eine Stadt im chinesischen
Gebiete, nordwestlich von unserm Besitz. Nach diesem Platz oder besser
nach der auf den alten Karten so bezeichneten Bucht ist die deutsche
Erwerbung benannt worden. Die Hauptstadt und zugleich der einzige
Auropäische Wohnort in Deutsch-China ist Tsingtau oder „die grüne
Insel“, wie das Wort übersetzt werden muß.
Tsingtau liegt fast genau auf dem 36. Grade nördlicher Breite,
also annähernd gleich mit den südlichen Azoren, mit Gibraltar und
Malta und andererseits mit Tokio und San Franzisko. Dank seiner
guten Schiffsverbindungen ist es von den chinesischen, koreanischen und
lapanischen Küstenplätzen schnell und leicht zu erreichen. Von Berlin
kann man auf dem Seewege in fünf bis sechs Wochen, auf dem Land—
wege über Sibirien schon in 17 bis 18 Tagen nach Tsingtau gelangen.
Die Mehrzahl der Keisenden zieht indessen die Seereise vor, da sie
größere Bequemlichkeiten bietet als die Eisenbahn und eine Menge
der wichtigsten Punkte berührt, deren Besichtigung niemand zu ver—
säumen pflegt.
Wer in Deutschland während des Sommers verreist, geht ent—
weder an die See oder ins Gebirge. In Tsingtau haben wir beides,
denn gleich hinter der Stadt beginnen die Berge, die sich weiter östlich
zu dem wilden und zerrissenen Lauschan erheben. Auch freundlicher
Wald grünt allenthalben auf; er ist nur noch recht jung, da die Be—
pflanzung der ehedem kahlen Gehänge erst von den Deutschen ins Werk
gesetzt ist. In wenig mehr als einer halben Stunde, von der Stadt—
mitte gerechnet, erreicht man den Badestrand, der sich draußen am
offenen Meere ausbreitet. hier weht in den Sommermonaten fast
mmer ein kühlender Wind, der im Verein mit dem reinlichen, stein—
freien Meeressande, den bequemen Gasthöfen und den sonstigen An—
nehmlichkeiten alljährlich die Gäste aus der Nähe und Ferne heranlockt.
Das Klima Tsingtaus ist im Frühling und herbst am ange—
nehmsten. In reiner Bläue spannt sich fast Tag um Tag der himmel
über See und Cand. Eine milde Wärine umfängt uns, während Cicht
und Luft an die glücklichsten Striche Italiens erinnern. Das dauen
bom April bis zum Juli, vom September bis in den November hinein.
Im Juli setzt die Regenzeit ein; sie beginnt mit dichten Nebeln und
bringt mehrmals in der Woche heftige Niederschläge, die mit heißem
donnenschein abwechseln. Im Winter dagegen bleiben die Regen nicht
elten aus; selbst der Schnee fällt in geringer Menge, und Frost be—
lästigt uns ebensowenig. Die innere Bucht zeigt nur in Ausnahme—
sällen eine dünne Eisdecke, die aber niemals den Verkehr der Schiffe
behindert Was uns den Winter verleiden kann, sind die schneidenden
Lesebuch für Oberklassen. Rh.
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