Full text: [Teil 2 = Mittel- und Oberstufe, [Schülerband]] (Teil 2 = Mittel- und Oberstufe, [Schülerband])

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90. Was mir ein alter Ofen erzählte. 
aber er war doch wieder viel gröber als ein Mann und so diek wie 
eine Tonne. Der alte Ofen konnte surren und summen, wenn er nur 
gut gefüttert wurde, ja, er konnte sogar allerlei Erlebnisse erzählen. 
Eiĩnes Abends spät habe ich selbst bei diesem sonderbaren Ofen 
gesessen, während der Nachtwächter auf den stillen Dorfstraben die 
zwölfte Stunde blies und beim Hause des Dorfschulzen besonders laut 
rief: „Bewahrt das FPeuer und das Licht!“ 
„Nie machst du's so behaglich, schwarzer Geselle,“ sagte ich zu 
dem alten Ofen; „drauben pfeift der kalte Nordwind, der Schnee knarrt 
unter den Püben deines Hausherrn, und die Sternlein zittern vor Kälte; 
aber hier ist eine behagliche Wärme, und ohne dieh wäre der Winter 
unertrãglich.“ 
Der alte Ofen schmunzelte wie ein Grobvater der Lobrede wegen, 
und iech dachte schon im stillen, finge er doch einmal an zu er— 
zãhlen. Das Brummen und Summen wurde immer lauter, sonst war's 
mãuschenstill in der kleinen Stube. Nur die hölzerne Wanduhr sagte 
einförmig: „Tick-tack“; von fernher schallte das Posaunen des Nacht- 
wächters, und das Waldkäuzehen oder Leichenhuhn rief dazwischen: 
„Komm mit, komm mit!““ 
„Ei“, dachte ich, „willst du nichts erzũhlen, so will ich dich einmal 
stochern, ob du dann nichts sagen kannst.“ Und ich nahm das lange 
Stocheisen, um das Peuer zu schüren. Da wurde das Sausen und 
Brausen noch lauter als zuvor, und es war mir, als hätte es Ton und 
Sprache angenommen. 
„Du hast miceh gelobt,“ brummte der alte Ofen, „und hast aueh 
Grund dazu, und doch habe iech schon viel Umbeil angerichtet, weil die 
törichten Menschen meine Wobltaten mibbrauchen.“ 
„Mie ist es möglich?“ rief ich neugierig aus und nahm schnell 
einen kleinen Bleistift aus meiner rechten Westentasche, um alles auf- 
zuschreiben. 
„Die Kinder haben mieh allzu gerne,“ fuhr der Ofen fort; „sie 
mõcehten mieh fast umarmen, wenn sie mit steifgefrorenen Gliedern 
aus der Kälte kommen, und manchmal stellen sie gar die Püße an 
meinen Sockel. Diese plöt-liche Erwärmung schadet aber der Ge- 
sundheit und kann leicht Prostbeulen an Händen und Füben hervor- 
rufen. Die Kinder aus dem Nachbarhause legen nicht einmal die 
Halstücher und UÜberzieher ab, wenn sie sich bei mir aufhalten. 
Darunter leidet wieder die Gesundheit, und bald sehützen die wärmsten
	        
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