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Gebrauche bei Deiner Arbeit aber auch redlich das dritte
Kapital, welches Gott Dir geschenkt hat, Deinen guten Verstand.
Arbeite nie gedankenlos und blind in den Tag hinein, sondern über¬
lege stets, was Du zuerst und wie Du jedes Teil am besten ver-
ricßteu sollst. Besonnenheit und Nachdenken verschaffen erst die
rechte Freude an der Arbeit. Würdest Du jemals träge und mit
Widerwillen arbeiten, dann würde gar bald der Frohsinn aus Dei¬
nem Herzen entschwinden; Mißmut würde Dich beherrschen, und
Müßiggang würde Dich in Sünde und Armut stürzen. Denn
Arbeitschen und Müßiggang verzehren allen Wohlstand, zerstören
den Frieden des Herzens und alles häusliche Glück.
Und nun tritt mutig ein in ein arbeitsvolles, fleißiges, fröh¬
liches Jugendleben! Bewahrest Du mein Testament stets treu in
Deinem Herzen, dann findest Du ganz sicher hienieden das häus¬
liche Glück und einstens die ewige Glückseligkeit.
82. Oie beiden Hausfrauen. von Heinrich zschokke.
TDeter und Rudi hatten in demselben Jahre Hochzeit. Beide
besagen ungefähr gleiches Vermögen, und beide waren
brave, fleißige Männer. Mitgift gab es bei beiden nicht viel.
— Rudi steht sich heute aber noch gut, und Peter ist verarmt.
Woher kam das?
Rudis Frau verstand ihre Sache. Sie hatte nähen gelernt.
War eine Naht aufgegangen, hatte es irgendwo einen Riß
gegeben, mit zwei Nadelstichen war alles wieder gutgemacht.
Man sah es nicht. Die alten Kleider schienen immer neu, weil
nie das mindeste daran zerrissen war; und weil die Kleider
immer in gutem Zustande waren, wurden sie auch säuberlich
gehalten. Da ward mit Nadel und Zwirn mancher Rock gespart,
und Vater, Mutter und Kinder gingen allzeit reinlich wie vor¬
nehme Leute. — Peters Frau aber verstand davon nichts. War
die Naht aufgegangen oder ein Riß da, so unterblieb das Aus¬
bessern. Das Loch ward groß und dann aus dem neuen Kittel
bald ein alter. Das Loch im Strumpfe ward weit, bis es un¬
heilbar wurde. Da gingen die Leute immer zerfeßt mit ihren
Kleidern, und weil man die Fetzen nicht schonte, hielt man sie
auch nicht sauber. Deshalb mußte oft Neues angeschafft wer¬
den, und das kostete Geld, und Peter mit Weib und Kindern,
die gingen doch immer wie Bettler.
Rudis Frau verstand die Gartenarbeit und wußte mit dem
Gemüse umzugehen. Sie hatte allzeit gesunde Kost, und alles