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Schule nicht allein sorgen könnten. Die Sammlung fiel über Erwarten
reich aus, sie ergab viel mehr, als für das Denkmal gebraucht wurde, das
sich jetzt an der Landstraße von Leipzig nach Lützen erhebt. So wurde
schon im Jahre 1832 die wohltätige Stiftung begründet. Aus der
Gustav Adolf-Stiftung entstand nach 10 Jahren 1842 der Gustav Adolf-
Verein, der nun fast sechzig Jahr alt ist. Über ganz Deutschland und
die österreichisch-ungarische Monarchie, ja auch nach Italien und Belgien,
Frankreich und Rußland, nach der Schweiz und Spanien und sogar nach
Algier, Brasilien und Argentinien streckt er seine helfenden Arme, sodaß
ein Dichter mit Recht von ihm sagen konnte:
Ein Senfkorn, klein nur im Beginn,
Wuchs er zum lebensfrischen Baum.
Wollen wir aber die Not verstehen, die der Verein lindern und beseitigen
will, so müssen wir in Länder gehen, wo unter Andersgläubigen kleine prote¬
stantische Gemeinden bestehen, nach Bayern, Württemberg und Baden. Rhein¬
land und Westfalen, Ost- und Westpreußen, Posen und Schlesien. Ganz be¬
sonders gibt es aber solche in dem österreichischen Kaiserstaate. Hier hatte
sich einst Luthers Lehre sehr schnell verbreitet, junge Leute hatten sie in Witten¬
berg kennen gelernt und in ihrer Heimat verkündet. Neun Zehnteile aller Be¬
wohner dieses Landes waren damals evangelisch. Da kam der schreckliche dreißig¬
jährige Krieg. Der lutherische Gottesdienst wurde streng verboten, die Prediger
und Lehrer wurden vertrieben oder eingesperrt. Väter und Mütter samt ihren
Kindern aus dem Lande verjagt oder gezwungen, wieder katholisch zu werden,
die Bibeln und Erbauungsbücher weggenommen und verbrannt. Nur an ein¬
zelnen Orten haben sich evangelische Gemeinden erhalten, und für sie will der
Gustav Adolf-Verein sorgen; aber auch für solche, die erst neu entstehen, wenn
evangelische Arbeiter oder Bergleute oder Eisenbahnbeamte in katholischen
Gegenden sich niederlassen, wo sie keine Kirche und Schule für sich finden.
Und wie sieht es nun in solchen Gemeinden aus? — Da gibt es
oft gar kein Gotteshaus oder höchstens ein altes, baufälliges. Der Gottes¬
dienst wird oft in einer engen Schulstube abgehalten; das Katheder dient
als Kanzel, der Tisch als Altar. In den engen Bänken sitzen Männer
und Frauen, viele kommen und finden keinen Platz. Oder die Gemeinde
versammelt sich im Saale eines Rathauses oder Gerichtsgebäudes, vielleicht
auch im Saale eines Gasthauses, in dem tags zuvor und nachher getanzt
und gejubelt wird, oder in dem unbenutzten Güterschuppen einer kleinen
Bahnhaltestelle, wo die vorbeirollenden Wagen die Andacht stören.
Wieder an andern Orten wohnen die Leute so zerstreut, daß sie drei oder
mehr Stunden bis zu ihrer Kirche auf schlechtem Wege in sandiger Heide
oder über Bergesrücken gehen müssen. Nur gesunde Männer können da
den Gottesdienst besuchen, Frauen und Kindern, Kranken und Schwachen
ist dies unmöglich. An andern Orten rufen keine Glocken zum Gottes¬
dienste, keine Orgel begleitet den Gesang. Wo die Leute so weit von ihrer
Kirche entfernt wohnen, kann sie auch ihr Pfarrer nur selten besuchen;
denn meilenweit muß er oft fahren, wenn er ein Kindlein taufen
oder einem Sterbenden das heilige Abendmahl reichen oder einen Toten
zu seiner letzten Ruhestätte begleiten soll. Auch die Wohnungen der Pfarrer
und Lehrer sind oft so schlecht, so alt und baufällig, so eng und klein,