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tausend Beamten, gegen 3000 Arbeiter, ein ganzes Regiment; Gesicht,
Hände, Blusen, Hosen deuten hin auf Hitze, Maschinenfett, Kohlen-
und Eisenstaub. Du stehst hier vor der großartigen Schöpfung
Richard Hartmanns, vor der Sächsischen Maschinenfabrik.
Im Jahre 1832 wanderte der Gründer als Zeugschmiedegeselle
im Alter von 23 Jahren aus dem Elsaß ein; er war der Sohn eines
Weißgerbers, Schaffens-, aber auch lebenslustig. Sein Vermögen be¬
stand in zwei ganzen Talern, die er gegen Dranggabe seiner Uhr beim
Pfandleiher erhalten hatte. Er fand Arbeit in der Maschinenbau-Anstalt
von C. G. Haubold sen., der alle jene Maschinen herstellte und
ausbesserte, welche die Chemnitzer Baumwollspinnerei und -Weberei
brauchte. Für Hartmann waren alle diese Dinge zunächst böhmische
Dörfer. Aber mit der ihm eignen Lebhaftigkeit und Zähigkeit lernte
er nicht bloß die einzelnen Teile der Maschinen arbeiten, nein, er
mußte auch wissen, wie sich die Teile zum Ganzen zusammenschlossen,
wie das Ganze wirkte, und gute Bücher klärten ihn auf über die Ge¬
setze, nach welchen das geschah. Wie aber ließ sich dies und jenes
einfacher, besser, praktischer herstellen? Das war die Frage, die
seinen beweglichen Geist am meisten beschäftigte.
Um Neuerungen ausführen zu können, mußte er selbständig sein.
Aber wie das ermöglichen ohne Geld? Sparen! riet ihm seine Braut,
aber gerade dies war bei dem lebenslustigen Gesellen bisher eine
schwache Seite gewesen. Doch Bertha wußte Rat: jeden Lohntag
forderte sie ihm einen Dukaten ab (etwa gleich dem Zehnmarkstück)
und sparte die Goldfüchse, bis sie 150 beisammen hatte. Mit
diesem Kapitale eröffnete er 1837 sein erstes Geschäft mit 3 Mann in
einer kleinen Werkstatt der Annaberger Straße- Er baute Spinn¬
maschinen. Freilich wußte er in der ersten Zeit am Sonnabend
manchmal nicht, woher er das Geld zur Lohnauszahlung nehmen
sollte. Doch sein abschlägiger Kopf rettete ihn. Er brachte die ersten
Verbesserungen an jenen Maschinen an, deren die Baumwollen¬
bearbeitung bedarf, und die Aufträge gingen in Fülle ein. Bereits 1841
bezog er größere Arbeitsräume in der Klostermühle und 1845 in der Leip¬
ziger Straße, wo er mit einem Arbeiterstamm von 350 Mann einrückte.
Er blieb nicht bei einem Gegenstände stehen, sondern warf sich
auch auf den Bau von Dampfmaschinen; weiter setzte er sich mit der
sächsischen Regierung in Verbindung, daß sie ihm ihre Unterstützung
nicht versage, wenn er im Lokomotivenbau Tüchtiges leiste. Am
7. Februar 1848 fuhr der erste Dampfwagen aus seinen Werkstätten
heraus, um auf der bayrischen Bahn Dienst zu tun. Glück auf! hatte
er ihn getauft. Als in demselben Jahre die Revolution ausbrach, hörten
plötzlich alle Bestellungen auf. Es wäre ihm nicht möglich gewesen, die
böse Zeit über seine Arbeiterschaft zu beschäftigen, wenn er nicht
Schußwaffen gebaut und Geldvorschüsse von der Regierung erhalten hätte.
Nachdem aber der Gewittersturm vorbei war, entstand auf seinem
Fabrikviertel ein Gebäude nach dem andern: für die Gießerei, für Mühlen¬
einrichtungen, für Bergwerksmaschinen, für Werkzeugmaschinen u. a.
Putzger u. Rasche, Lesebuch. 2. Teil. Au-g. A. 20