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173. Das Grab iin Busento.
\. Nächtlich am Busento lispeln bei Tosenza dumpfe Lieder;
aus den Wassern schallt es Antwort, und in Wirbeln klingt es wider.
2. Und den Fluß hinaus, hinunter ziehn die Schatten tapfrer Goten,
die den Alarich beweinen, ihres Volkes besten Toten.
3. Allzufrüh und fern der Heimat mußten hier sie ihn begraben,
während noch die Iugendlocken seine Schultern blond umgaben.
L Und am Ufer des Busento reihten sie sich um die Wette;
um die Strömung abzuleiten, gruben sie ein frisches Bette.
5. In der wogenleeren Höhlung wühlten sie empor die Erde,
senkten tief hinein den Leichnam mit der Rüstung auf dem Pferde.
6. Deckten dann mit Erde wieder ihn und seine stolze Habe,
daß die hohen Stromgewächse wüchsen aus dem Heldengrabe.
7. Abgelenkt zum zweiten Wale, ward der Fluß herbeigezogen;
mächtig in ihr altes Bette schäumten die Busentowogen.
8. Und es sang ein Thor von Männern: „Schlaf in deinen Helden-
ehren!
seines Römers schnöde Habsucht soll dir je das Grab vermehren!"
9. Sanaen's, — und die Lobgesänge tönten fort im Gotenheere.
Wälze sie, Busentowelle, wälze sie von Meer zu Meere!
August Gmf von Platen.
174. Winfried im Lande der Thüringe.
a) Die Heise ins Land der Thüringe.
1. Auf dem Waldwege, der vom Main nordwärts in das Hügel¬
land der Franken und Thüringe führt, zogen an einem heißen Sommer¬
tage drei Iieiter schweigend dahin. Der erste war der Führer, ein
junger Mann von starken Gliedern; das lange Haar hing ihm wild
um das Haupt, die blauen Augen spähten nach beiden Seiten des
Weges in den Wald. Er trug eine verschossene Lederkappe, über
der braunen Jacke eine große Tasche mit Reisevorrat, in der Hand
den Wurfspeer, auf dem Rücken Bogen und Jagdköcher, an der
Seite ein langes Weidmesser, am Sattel seines Rosses eine schwere
Waldaxt. Hinter ihm ritt ein breitschultriger Mann in den Jahren
seiner besten Kraft. Die mächtige Stirn und die blitzenden Augen
gaben ihm das Aussehen eines Kriegers; aber er trug sich nicht wie
ein Mann des Schwertes. Das kurzgeschorene Haar deckte ein