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man gebogene Weidenruten über die Pfropfstellen und heftet die
jungen Triebe rechtzeitig an. Im nächsten Jahre erfahren sie
einen Rückschnitt auf 5—6 Augen und schon 2—3 Jahre später
zeigen sie eine große Fruchtbarkeit, die viele Jahre anhält und
derartige Bäume zu den Lieblingen ihrer Besitzer macht. Darum
sollten alle Obstbäume, die im Ertrage nicht befriedigen, ohne
weiteres umveredelt werden. „Zeit ist Geld," sagt das Sprich¬
wort und das gilt auch hier.
Neben der Krone des Baumes bedarf aber auch der Stamm
des Schutzes und der Pflege. Er besteht zwar ans hartem Holz
und harter Rinde und scheint wenig empfindlich zu sein. Aber
zwischen Holz und Rinde liegt das Cambium, ein zartes, grünes
Gewebe mit unzähligen Zellen, die alle Leben und Bewegung
zeigen und für die Tätigkeit des Baumes von größter Bedeutung
sind. Jeder Stoß und Schlag an die Rinde hat besonders bei
jüngeren Bäumen eine Verletzung zur Folge, die, wenn sie nicht
gleich geheilt wird, eine Krebserkrankung nach sich ziehen kann.
Darum ist ein sauberes Ausschneiden -und Glätten der Wundön
stets vonnöten; kleinere heilen dann ohne Verband, größere
werden mit einem Brei aus Lehm und Kuhfladen belegt und mit
Packleinwand und Schnur umwickelt. Auch Moose und Flechten,
die in alten Anlagen oft fingerdick die Stämme bedecken, fügen
den Bäumen großen Schaden zu. Sie verstopfen nämlich die
zahlreichen Poren, die jeder Pflanze wie auch der Haut des
Menschen eigentümlich sind und der Luftzirkulation dienen. Sie
lassen sich jedoch mit Baumkratzer und Bürste, besonders bei
feuchtem Wetter, leicht entfernen. Hierbei werden auch die ab¬
stehenden Borkenstücke mit abgerissen und unzähliges Ungeziefer,
das im schützenden Verstecke den Winter zu verbringen und unseren
nächstjährigen Blüten zu schaden gedachte, fällt uns in die Hände.
Ins Feuer mit dieser Brut! Die gereinigten Stämme und Äste
aber bestreichen wir mit Kalkmilch, wodurch die Entstehung einer
jungen, glatten Rinde begünstigt, das noch vorhandene Ungeziefer
getötet, auch die Wirkung von Frost und Sonne abgeschwächt
und so der Entstehung von Frostschäden vorgebeugt wird. Im
Laufe des Frühjahrs wird die Kalkung wiederholt und mittels
einer Baumspritze auch auf die Kronen ausgedehnt.
Endlich verlangen auch die unterirdischen Teile des Baumes
unsere Beachtung. Sie sind dem Auge verborgen und können
ohne Schaden eines der wichtigsten Lebenselemente, das Licht,
entbehren. Dafür bedürfen sie aber der Luft und Wärme in
weit höherem Grade, als man gewöhnlich glaubt. Dichter Rasen,
der den Standort der Bäume bedeckt und bis an die Stämme
reicht, ist darum immer schädlich, weil er das Eindringen der