Full text: [Teil 2 = Oberstufe, [Schülerband]] (Teil 2 = Oberstufe, [Schülerband])

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Nun nahm die dritte Garbe das Wort: „Die mit Thränen säen, 
werden mit Freuden ernten! Mit schwerem Herzen ging ein Sohn aus, 
zu säen. Ach, der Vater war ihm gestorben, und daheim weinte die verlassene 
Mutter; denn die harten Gläubiger hatten die Scheuer geräumt. Ein mit- 
5 leidiger Nachbar lieh ihm den Samen; aber Thränen fielen mit den Körnern 
in die Furchen. Nun erntet er zehnfältig; denn der Herr hat seine Ernte 
gesegnet. Die mit Thränen säen, werden mit Freuden ernten; sie gehen hin 
und weinen und tragen edeln Samen, kommen wieder mit Freuden und 
bringen ihre Garben." 
10 Danach fuhr eine vierte fort zu reden: „Wohlzuthun und mitzuteilen 
vergesset nicht; denn solche Opfer gefallen Gott wohl. Könnten wir das 
hineinrufen in die Häuser der Reichen, die ihre Scheuern jetzt füllen! Könnten 
wir's dem hartherzigen Manne zurufen, der gestern die armen Ährenleser von 
seinem Acker trieb! — Wen der Herr gesegnet hat, der soll auch seine milde 
15 Hand aufthun, daß er gleiche dem redlichen Boas, der an der frommen Ruth 
Barmherzigkeit übte. Wohlzuthun und mitzuteilen vergesset nicht." — Und 
die Wachteln riefen laut hinüber in das Dorf, als wollten sie die schlafenden 
Herzen aufwecken. 
Und also endete die fünfte Garbe: „Was der Mensch säet, das wird 
20 er ernten! Wer kärglich säet, der wird auch kärglich ernten, und wer da 
säet im Segen, der wird auch ernten im Segen. Was wundert ihr euch, 
daß Unkraut unter dem Weizen steht? Hättet ihr den Samen gesichtet, ehe 
ihr ihn ausstreutet. — Wer Unkraut säet, wird Mühe ernten; wer auf sein 
Fleisch säet, der wird vorn Fleische das Verderben ernten; wer aber auf den 
25 Geist säet, der wird vom Geiste das ewige Leben ernten. Was der Mensch 
säet, das wird er ernten." 
Und alle Garben umher neigten sich und sprachen: „Amen! Amen!" 
Klaus Harms. 
191. Die Feuersbrunst. 
30 Wohlthätigst des Feuers Macht, 
wenn sie der Menschs bezähmt,! bewacht, 
und was er bildet,i! was er schasst, 
das dankt er dieser Himmelskraft; 
doch furchtbar wird die Himmelskraft, 
35 wenn sie der Fessel; sich entrafft, 
einhertritt auf der eignen Spur, 
die freie Tochter der Natur. —-—' 
Wehe, wenn sie losgelassen, 
wachsend ohne Widerstand 
40 durch die volkbelebten Gassen 
wälzt den ungeheuern Brand; 
denn die Elemente hassen 
das Gebild der Menschenhand. 
Aus oer Wvlre 
quillt der Segen, 
strömt der Regen; 
aus der Wolke, ohne Wahl, 
zuckt /der Strahl. -— 
Hört ihr's wimmern hoch vom Turm? 
Das ist Sturm. 
Rot wie Blut) 
ist der Himmel; 
das ist nicht des Tages Glut. 
Welch Getümmel 
Straßen auf! 
Dampf wallt auf!
	        
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