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Nun nahm die dritte Garbe das Wort: „Die mit Thränen säen,
werden mit Freuden ernten! Mit schwerem Herzen ging ein Sohn aus,
zu säen. Ach, der Vater war ihm gestorben, und daheim weinte die verlassene
Mutter; denn die harten Gläubiger hatten die Scheuer geräumt. Ein mit-
5 leidiger Nachbar lieh ihm den Samen; aber Thränen fielen mit den Körnern
in die Furchen. Nun erntet er zehnfältig; denn der Herr hat seine Ernte
gesegnet. Die mit Thränen säen, werden mit Freuden ernten; sie gehen hin
und weinen und tragen edeln Samen, kommen wieder mit Freuden und
bringen ihre Garben."
10 Danach fuhr eine vierte fort zu reden: „Wohlzuthun und mitzuteilen
vergesset nicht; denn solche Opfer gefallen Gott wohl. Könnten wir das
hineinrufen in die Häuser der Reichen, die ihre Scheuern jetzt füllen! Könnten
wir's dem hartherzigen Manne zurufen, der gestern die armen Ährenleser von
seinem Acker trieb! — Wen der Herr gesegnet hat, der soll auch seine milde
15 Hand aufthun, daß er gleiche dem redlichen Boas, der an der frommen Ruth
Barmherzigkeit übte. Wohlzuthun und mitzuteilen vergesset nicht." — Und
die Wachteln riefen laut hinüber in das Dorf, als wollten sie die schlafenden
Herzen aufwecken.
Und also endete die fünfte Garbe: „Was der Mensch säet, das wird
20 er ernten! Wer kärglich säet, der wird auch kärglich ernten, und wer da
säet im Segen, der wird auch ernten im Segen. Was wundert ihr euch,
daß Unkraut unter dem Weizen steht? Hättet ihr den Samen gesichtet, ehe
ihr ihn ausstreutet. — Wer Unkraut säet, wird Mühe ernten; wer auf sein
Fleisch säet, der wird vorn Fleische das Verderben ernten; wer aber auf den
25 Geist säet, der wird vom Geiste das ewige Leben ernten. Was der Mensch
säet, das wird er ernten."
Und alle Garben umher neigten sich und sprachen: „Amen! Amen!"
Klaus Harms.
191. Die Feuersbrunst.
30 Wohlthätigst des Feuers Macht,
wenn sie der Menschs bezähmt,! bewacht,
und was er bildet,i! was er schasst,
das dankt er dieser Himmelskraft;
doch furchtbar wird die Himmelskraft,
35 wenn sie der Fessel; sich entrafft,
einhertritt auf der eignen Spur,
die freie Tochter der Natur. —-—'
Wehe, wenn sie losgelassen,
wachsend ohne Widerstand
40 durch die volkbelebten Gassen
wälzt den ungeheuern Brand;
denn die Elemente hassen
das Gebild der Menschenhand.
Aus oer Wvlre
quillt der Segen,
strömt der Regen;
aus der Wolke, ohne Wahl,
zuckt /der Strahl. -—
Hört ihr's wimmern hoch vom Turm?
Das ist Sturm.
Rot wie Blut)
ist der Himmel;
das ist nicht des Tages Glut.
Welch Getümmel
Straßen auf!
Dampf wallt auf!