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sie aus gar zierlichen, grünen Bechern oben heraussehen, damit
die Menschen gleich wissen, was darin steckt. Da kommen dann
die Knaben und Mädchen und langen zu und knacken, ohne dass
es ihnen die Sträucher wehren. Alle Nüsse bekommen sie jedoch
nicht; das Eichhörnchen hat sich schon seinen Teil geholt, um 5
für den kästen Winter Vorrat zu haben. Im Herbste rauft man
auch den nützlichen Flachs, der nicht genug zu loben und zu
preisen ist, so gering er auch aussieht. Von der Seide macht man
ein gewaltiges Rühmen; aber der Flachs ist doch der Meister,
denn ein seidenes Kleid kann man gar leicht entbehren, aber nicht 10
ein Hemd.
2. Von den Schatzgräbern, die edle Metalle suchen, mag ich
nichts hören; aber die Schatzgräber im Herbste sehe ich mit Lust.
Gold und Silber graben sie freilich nicht aus dem Boden, aber dafür
etwas, was tausendmal mehr wert ist. Geht in ein Haus, in welches 15
ihr wollt, und ihr werdet nicht vergeblich nach Kartoffeln fragen,
wenn ihre Zeitjla ist. Was wollten oft arme Eltern ihren Kindern
zu essen geben, wenn sie ihnen nicht eine tüchtige Schüssel voll
Kartoffeln vorsetzen könnten! Auch die Reichen wissen diese un¬
ansehnliche Frucht zu schätzen und sehen sie gerne auf ihren Tafeln. 20
3. So gross aber auch der Nutzen und Segen der Kartoffeln ist,
so geht es doch bei der Ernte ganz still her, und man hört nichts
von Jauchzen und Böllern und sieht nichts von geputzten Wagen
und Menschen, wie solches bei der Weinlese der Fall ist. So ist
der Mensch! Alle Achtung vor dem Weine, er erfreut des Menschen 25
Herz; aber wenn man auf den Nutzen sieht, so sind doch die
Trauben nicht mit den Kartoffeln zu vergleichen. Nur wenige
Menschen können Wein trinken; aber alle können sich Kartoffeln
verschaffen. Der Wein hilft keinem hungrigen Magen; aber die Kar¬
toffeln thun es in der verschiedensten Zubereitung. Der Wein hat 30
schon Hunderte in das Verderben gestürzt; die Kartoffeln haben Tau¬
sende vor dem Verderben, vor der Hungersnot bewahrt.
Noch schöner als die Weinlese ist das Erntefest, wenn die
christlichen Gemeinden sich in ihren Kirchen versammeln und dank¬
bar bekennen: „Der Herr hat Grosses an uns gethan, des 35
sind wir fröhlich!“ Nach Walther.
196. Herbstlied.
1. Der Wind geht Über's Stoppelfeld,
hat einen rauhen Gruß vermeld'l
vom düstern Herbst, dem Nebelmann,
der alle Tage regnen kann.
2. Ein guter Färber ist er zwar,
versteht sein Handwerk auf ein Haar:
er färbt an Baum und Heckenzaun
das grüne Laub gelb, rot und braun.
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