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das Nittagessen aufhörte, und wo das Nachtessen anfing. Nach dem
Nachtessen legte er sich ins Bett und war so müde, als wenn er
den ganzen Tag Steine abgeladen oder Holz gespalten hätte. Davon
bekam er zuletzt einen dicken Leib, der so unbeholfen war wie ein
Maltersack. Essen und Schlaf wollten inm nimmer schmecken, und
er war lange Zeit, wie es manchmal geht, nicht recht gesund und
nicht recht krank; wenn man ihn aber selber hörte, so hatte er
dreihundertfünfundsechzig Krankheiten, nämlich alle Tage eine andre.
2. Vergebliche Heilversuche.
Alle Arzte, die in Amsterdam waren, mussten ihm raten. Er ver-
schluckte ganze Feuereimer voll Arznei und ganze Schaufeln voll
Pulver und Pillen wie Entfeneier so grols, und man nannte ihn zuletzt
Scherzweise nur die zweibeinige Aposieke, Alle Arzneien aber halfen
ihm nichts; denn er befolgie nicht, was ihm die Irzte befahlen,
sondern sagte: „Tausend! wofür bin ijch ein reicher Mann, wenn ich
leben soll wie ein Hund, und der Doktor will mich nicht gesund
machen für mein Geld?“
3. Verhandlungen mit dem fernen Arzte.
Endlich hörte er von einem Arzte, der hundert Stunden weit
weg wohnte, der sei so geschickt, dass die Kranken gesund würden,
wenn er sie nur recht anschaue, und der Tod gehe ihm aus dem
Wege, wo er sich sehen lasss. Zu dem Arzte falste der Mann ein
Zutrauen und beschrieb ihm seinen Zustand. Der Arzt merkte bald,
was ibhm febhle, nämlich nicht Arznei, sondern Mälsigkeit und Be—
wegung, und sagte: „MWarte, dich will jeh bald geheilt haben!“ Des-
vegen schrieb er ihm ein Brieflein folgenden Inhaltes: „Guter Freund,
Ihr habt einen schlimmen Zustand; ädoch wird Euch zu helfen sein,
wenn Ihr solgen wollt. Ihr habt ein böses Tier im Bauche, einen
Lindwurm mit sieben Mäulern. Mit dem Lindwurme muls ich selber
reden, und Ihr mülst zu mir kommen. Aber fürs erste dürft Ihr nicht
fahren oder auf dem Rösslein reiten, sondern auf des Schuhmachers
Rappen; sonst schüttelt Ihr den Lindwurm, und er beilst Euch die
Eingeweide ab, sieben Därme auf einmal ganz entzwei. Fürs andre
dürft Br nicht mehr essen als zweimal des Tages einen Teller voll
Gemũse, miltags ein Bratwürstlein dazu und abends ein Ei und am
Morgen ein Fleischsüpplein mit Schnittlauch darauf. Was Ihr mebr
elst, davon wird nur der Lindwurm grölser, also, dass er Euch die
Leber erdrückt, und der Schneider hat Euch nicht viel mehr an—
zumessen, aber der Schreiner. Dies ist mein Rat, und wenn lIhr
mir nicht folgt, so hört Ihr im andern Frühjahre den Kuckuck
nimmer schreien. Thut, was Ihr wollt!“
4. Reise zu dem Arzte.
Als der Kranke so mit sich reden hörte, liels er sich sogleich
den andern Morgen die Stiefel wichsen und machte sich auf den Weg,
wie ihm der Doktor befohlen hatte. Den ersten Tag ging es so
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