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131. Die Arbeitsteilung.
»An Naumburg an der Saale kannte ich einen alten Bürstenmacher.
— Er hatte immer nur eine sehr kleine Auswahl auf Lager, und
die meisten Leute, wenn sie auch früher zu seiner Kundschaft gehört
hatten, zogen ihm deshalb schon lange den in der Nähe belegenen, reich
ausgestatteten Laden einer größeren Bürsten- und Kammfabrik vor.
Ich aber blieb noch immer dem Alten treu und bin oftmals auch in seine
Werkstatt, die er gleich hinter dem ärmlichen Verkaufsraume hatte, ein—
getreten. Er machte seine Bürsten von Anfang bis Ende mit eigner
Hand fertig. Das rohe Holz kaufte er im Walde; er zersägte die
Kloben, schnitt, hobelte und polierte die Stücke, bis die Bürstenform
allmählich erkennbar wurde. Das war die reine Tischlerarbeit. Dann
stand er wieder tagelang an seiner Bohrmaschine, deren Rad er mit
dem linken Fuße in Bewegung setzte um die Löcher für die Borsten zu
bohren — eine feine und mühsame Arbeit! denn wenn die Löcher nicht
sauber aneinander stehen, so verliert die Bürste ihr Ansehen. Danach
kam das Einsetzen der Borsten. Diese selbst kaufte er von den Bauern
und Schlächtern als Rohware; auch sie bedurften noch mancherlei Be—
handlung, ehe sie zum Verbrauche fertig waren.
Eines Tages hatte ich Gelegenheit, mir auch einmal die schon
genannte große Bürstenfabrik anzusehen. Der Geschäftsherr war zwar
nicht zu Hause; aber der Werkführer hatte die Freundlichkeit, mir den
Betrieb zu zeigen. Zuerst führte er mich in die Tischlerei; da wurde
die ganze Holzarbeit besorgt. Die Leute, die dort beschäftigt wurden,
waren gelernte Tischler, die mit der Bearbeitung des Holzes gründlich
vertraut waren, und die nun, nachdem sie sich jahrelang der Bürsten—
fabrikation allein zugewandt hatten, einen ganz besonderen Grad der
Fertigkeit in diesem Arbeitszweige erreicht hatten. Aus der Tischlerei
wanderte die Ware zur Bohrmaschine, die mit Dampf getrieben und
immer von denselben Arbeitern bedient wurde. Auch diese Leute
hatten eine unübertreffliche Sicherheit in ihrer Arbeit erreicht. — Da—
nach wurde ich in einen großen Arbeitsraum geführt, in dem Frauen
und Mädchen die Borsten sortierten. Aus großen Haufen Rohware
suchten sie die feinen und groben, die weißen und schwarzen Haare
heraus und legten die gleichartigen in Häufchen vor sich auf die Tische.
Von da wanderten sie weiter, um in andere, noch genauere UMter—
abteilungen, im ganzen wohl 20 an der Zahl, zerlegt zu werden. Die
letztere Arbeit wurde ebenfalls von weiblichen Arbeitern ausgeführt;
denn besondere Kräfte gehören ja nicht dazu, wohl aber flinke Hände
und scharfe Augen, und die haben die Frauen. Der nächste Raum, in