in der Ferne ein Bauernhaus, ein paar Baumgruppen, ein wenig Häuser¬
werk und ein paar Schornsteine am Horizont, und über das alles der
Himmel. Wahrlich, einfach genug ist das Bild! Aber nun sieh, wie es
ausgeführt ist! Sieh die Farben und tanzenden Lichter auf dem Strome,
sieh den Widerschein des blauen Himmels in ihm, die schwebenden Möwen,
den weißen Ufersand und den fetten, braunen Lehm. Sieh, wie mitten
in der endlosen, grünen Fläche behäbig und selbstbewußt das nieder¬
sächsische Bauernhaus hingesetzt ist. Wie malerisch es von Baumkronen
umrahmt ist, wie seine weißen Mauern leuchten, sieh, in welch feinem
Dunste die Ferne schwimmt und — ja, ist das überhaupt zu übertreffen!
-Ob es wohl schönheitsdnrstige Sinne mehr befriedigt, in
Italien zu wandern als in unserem simplen niedersächsischen Winkel? —
Ich kann es nicht glauben! Es würde meine sämtlichen Begriffe von
göttlicher Gerechtigkeit über den Haufen werfen.
Nein, ich glaube, der liebe Herrgott hat in seiner unermeßlichen
Weisheit und Güte auch die Schönheiten der Landschaften ganz gleich¬
mäßig verteilt, und jeder Landstrich hat eine Fülle ihm eigener Stimmungen
und Bilder erhalten. Einer wie der andere ist mit gleichem Maße ge-
messen worden. Aber freilich, das gebe ich von vornherein zu, daß es
leichter ist, in den himmelanragenden Bergen der Schweiz die Schönheiten
zu entdecken als in unseren stillen Heiden und dunklen Mooren. Aber
Schönheit ist überall, auch im verborgensten Waldwinkel, in den öden
Sanddünen am Meere und unter dem Strohdache des altersschwachen
Bauernhauses.
Heimat, du hast dieselbe Fülle der Schönheit wie andere gepriesene
Länder! Jedoch du protzest nicht mit deinem Reichtnme. Du versteckst,
was du hast, in den tiefen Falten deines schlichten Mantels, und nur,
wer sich dir in Liebe naht, in voller Liebe, dem offenbarst du deinen
Zauber ganz.-
Aus Meer und Marsch und Moor und Heide, aus Geest und Dorf
und Großstadt ist dein Gewand zusammengesetzt. — Auch die Großstadt
gehört dazu! Die oft verkannte, viel gelästerte und doch lebensvollste,
farbensprühende Großstadt.
Schön ist das düstere Moor unter wolkenschwerem Himmel, schön
die saftige Marsch in ihrer grenzenlosen Weite, wunderschön ist auch die
Heide, die stille, lilafarbene, in voller Blütenpracht und tiefster Einsamkeit,
schön ist auch die Stadt mit ihrem Getriebe, mit ihrer ewig wechselnden
Fülle an Formen und Farben. Diese Lichter, diese tiefen Schatten, das
volle, satte Leben an allen Ecken und Kanten!
Vor mir breitet sich die Heimat im Sommerstaat aus. Die hat
Eigenart und wird sie sich bewahren, die ist Persönlichkeit vom Meere
bis zu den Bergen.-