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Prosa. D. Briefe.
vorzüglicher Offizier mit seinem neuen Regiment gefochten. Meine ganze
Umgebung ist gesund und wohl, und ich sehe schleunigster Nachricht von Dir
entgegen.
130. Friß Reuter an seine Frau.
„Nachgelassene Schriften.“ Herausgeg. v. A. Wilbrandt. Wismar, Rostock u. Ludwigslust 1875.
Meine liebe, kleine Luise!
Wenn ich des Abends spät zu Bette gehe, so fällt mir Deine Abwesen—
heit doch recht sehr schwer aufs Herz; es ist dann alles so still um mich
her, selbst die Uhr schlägt nicht den gewohnten Pendeltakt, warum? weil
ich es regelmäßig vergesse, sie aufzuziehen. Die letzte Nacht war es schreck⸗
lich unheimlich bei mir, dreimal bin ich aus dem Bette gewesen, denn das
furchtbarste Unwetter hat uns heimgesucht: ein Regen, wie ich ihn nie er—
fahren habe; Schornsteine sollen eingestürzt sein; fast in jedem Hause sind
die Kalkdecken eingestürzt; die Tollense ist über die Ufer getreten, die kleine
Tollense hat in den Häusern gestanden. Die Gärten hinter dem unsrigen
sind unter Wasser gesetzt, und das Korn liegt platt nieder wie gewalzt. Der
arme Peters! ich fürchte, seine schönen Hoffnungen sind für dies Jahr zer—
stört, doch bestimmte Nachricht habe ich noch nicht.
Unsere kleine Hütte ist mit dem Ruin der geborstenen Scheibe an Deinem
Fenster davongekommen.
Es ist nach zehn Uhr, während ich dies schreibe; aber ich dachte, ich
wollte einen sehr fleißig hingebrachten Tag durch einen herzlichen Brief an
Dich beschließen. Ich habe heute über zehn Druckseiten Polterabendgedichte
gemacht, im ganzen seit Deiner Abwesenheit weit über einen Druckbogen.
Weißt Du wohl! nach unserer früheren berüchtigten Läuschen⸗Rechnung
macht das gegen zwanzig Taler ...
Was unsere Häuslichkeit betrifft, so ist alles in bestem Wohlstande,
namentlich Marieken!; sie nimmt gerade nicht an Weisheit und Verstand
zu, aber doch an Fett; sie kann jeht schon an einem Wurstladen als Aus—
hängeschild gebraucht werden. Dabei muß ich ihr jedoch zum Ruhme nach—
sagen, daß sie das alte humane Sprichwort: „Leben und leben lassen“,
getreulich sich zur Richtschnur ihres Wirkens gemacht hat, sintemal sie mich
regelmäßig und im ganzen zweckmäßig abfüttert; ja, sie dehnt ihre Fürsorge
auf meinen äußeren Menschen aus, indem sie mir die Chemisettebänder
unters Halstuch steckt und mir auch andere Rendlichkeit? antut. Neulich
jedoch mußte ich laut lachen: Ich kam am Sonntage von Tützfratz, sehr
bestäubt; ich kleidete mich also um und wollte zu dem Trompeterkonzert in
den Algenstädtschen Garten gehen, als sie mich förmlich arretierte und mir
die innigsten Vorstellungen machte, wie ich wohl mit einer Mütze dort—
hin gehen könne, ich müsse einen Hut aufsetzen. Ganz wie Du, kleine
Das Dienstmädchen.
2Reinlichkeit,