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Geschichte der alten Welt.
Menschenopfern erlag dem griechisch-römischen Heidenthum und das über¬
triebene von den Priestern genährte Selbstgefühl, das sich in der Verachtung
anderer Völker und ihrer Cultur kund gab, wurde gebrochen und dadurch der
Boden für höhere menschliche Bildung bestellt.
Durch diese Eroberung „wurden die beiden großen Halbinseln des Mittelmeers und
die daranstoßenden Eilande und Küsten, auf denen sich die griechische und römische Bil¬
dung entfaltete, wenigstens für einen langen Zeitraum vor aller Gefahr aus dem Innern
des europäischen Contincnts her gesichert; aber zugleich wurden der Cultur selbst in der
Mitte desselben neue Wohnsitze bereitet; Völkerschaften von unerschöpflicher Lebenskraft,
tapfer und sinnreich, in ihren Kreis gezogen, ihren Ideen unterworfen. Erst nach ihrer
Niederlage singen die Gallier an, das Land ihrer Heimath allenthalben anzubauen und die
Vortheile seiner geographischen Lage für friedliches Dasein zu genießen. Die Römer er¬
füllten es mit den großen Bauwerken, die ihre Anwesenheit überall bezeichnen, Amphi¬
theatern, Thermen, Aquädukten, Heerstraßen; diese, die das Land in verschiedenen Rich¬
tungen durchzogen, waren fast die Hauptsache, denn sie brachten alles in unmittelbare
Verbindung mit den Hauptstätten der römischen Einwirkung: Lugdunum (Lyon) ward
das transalpinische Rom. Es ist kein Zweifel, daß sich die Eingebornen den Anziehenden
mit freudigem Eifer anschloffen. Aus den Geschlechtern und Stämmen, die das Land von
jeher bewohnt hatten, und den Colonien der Neberwinder, bildete sich ein neues Volk,
eine einzige große romanische Nation. Im zweiten Jahrhundert ist Gallien die bevölkertste,
im vierten, wiewohl in der Tiefe sich manche ungebrochene Volksthümlichkeit erhielt, eine
der gebildetsten römischen Provinzen. Wo das eigenthümliche Talent der Eingebornen
mit einem Zweige der lateinischen Cultur zusammentraf, erhoben sie sich sogleich zu einer
bemcrkenswerthen Ausbildung. Nirgends gab es eine Zeitlang besser besuchte Schulen als
in Gallien; geborene Römer lernten lateinische Beredtsamkeit im Sinne des Jahrhunderts
an der Garonne." Die von Cäsar und seinen Nachfolgern angelegten Castelle und Stand¬
lager wuchsen bald zu Städten an; so Win disch an der Aar, Augst bei Basel, Zab ern,
Worms, Köln, Coblenz, Trier, Aachen, Soissons, Cambray u. a. m.
Einige Deeennien später wurde auch Süddcutschland bis zur Donau unterjocht, so daß die
beiden großen Ströme Rhein und Donau die nördlichen Grenzen des Römerreichs bil¬
deten. Auch hier entstanden aus den römischen Standlagern allmählich die Städte Bre¬
genz, Kempten, Regensburg, Augsburg, Passau, Salzburg, Linz,
Wien u. a.
c) Der zweite Bürgerkrieg (-»»- 4*»).
§. 199. Indessen war die Parteiwuth in Rom aufs Höchste gestiegen
und Raub und Mord an der Tagesordnung. Mächtige Führer kämpften in
den Straßen und Wahlplätzen mit Schaaren bewaffneten Gefolges wider
einander und der freche Clodius wurde von Milo auf der appischen
Straße ermordet*). Bestechung ward mit unerhörter Schaamlosigkeit geübt
und die Schätze Galliens wanderten größtentheils nach Rom, um die feilen
Seelen der Volkstribunen Curio, Antonius u. a. zu sättigen und für
Cäsars Interessen zu gewinnen. Dies bewog den Senat und die Alt-
Republikaner in Pompejus eine Stütze gegen den zunehmenden Volks-
übermuth zu suchen und das Consulat gänzlich zu dessen Verfügung zu
stellen. Dadurch erhielt der Parteieifer neue Nahrung, da Pompejus, auf