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und da sie gerade in schlechter Laune war, brummte sie: „So lange
der Bettelkaiser in der Nãho ist, hat man doch nirgends Ruhe vor
dem lãstigen Kriegsvolk.“ BRudoi verstand sie wohl und lachte seelen-
vergnügt. Da wurde das Weib aber wütend und goß eine Flut von
5 Schimpfworten und sehlieblica ein Gefäß voll Vasser über den
Fremdling aus. Triefend kam der Kõönig in das Lager zurück, erzählte
aber niemand etwas von weinem Abenteuer. Als er jedoch mittags
mit den Fürsten an der Tafel saß, schickte er der Bäckerofrau einige
gefüllte Schüsseln und ließ ihr sagen, der Reitersmann, gegen don
10 sie heute morgen so froundlich gewesen sei, schicke ihr aus Dank-
barkeit etwas von seinem Tiehbe. Wie nun die Frau hörte, daß der
UInbekannte der RKönig selbet gewesen sei, da verlor sie erst vor
Schreck die Besinnung, dann aber rannte sie hinaus ins Zelt des
Königs, warf sich ihm zu Füben und bat schluchzend um Gnade.
15 Rudolf hiet die Frau aufeteln und legte ihr als einzige Strafe auf,
daß sie die Geschichto von leui— morgen mit allen ihren schönen
Reden vor den versammelten Funton erzählen mußte. Das gab ein
Lachen und Vergnügen sondergleichen.
3. Ein Bettler äam einst u König Rudolf und sprach: „Bruder
20 Rudolf, schenke mir doch eins Gabe.“ „Seit wann sind wir dom
Brüder?“ fragte Rudolf erslaunt. „Nun, seit Adam her, der unger
aller Vater ist.“ Der König lachte und gab dem Manne einen Pfennig.
Der sagte: „Das ist doch gar zu wenig für einen so reichen Königl
Doch Rudolf erwiderte: „Wenn dir allo deine Brüder von Adam her
25 s0 viel geben würden, so wärst du bald der reichste Mann im ganzen
Reiche.“ Nach diesem brüderlichen Geschenke reiehl— Rudolf dem
Bettler noch ein königliches Geschenk. Nach der Ohronik von Colmar.
287. Der Graf von Habsburg.
1. Zu Aachen in seiner Kaiserpracht, denn geendigt nach langem, verderblichem
80 im altertümlichen Saale, Streit
saß König Rudolfs heilige Macht war die kaiserlose, die schreckliche Zeit,
beim festlichen Krönungsmahle. und ein Richter war wieder auf Erden.
Die Speisen trug der Pfalzgraf des Rheins, Nicht blind mehr waltet der eiserne Speer,
es schenkte der Böhme des perlenden nicht fürchtet der Schwache, der Fried—
85 Weins, liche mehr,
und alle die Wähler, die sieben, des Mächtigen Beute zu werden.
wie der Sterne Chor um die Sonne 3. Und der Kaiser ergreift den goldnen
„ sich stellt, Pokal
umstanden geschäftig den Herrscher der und spricht mit zufriedenen Blicken:
40 Welt, „Wohl glänzet das Fest, wohl pranget
die Würde des Amtes zu üben. das Mahl,
2. Und rings erfüllte den hohen Balkon mein königlich Herz zu entzücken;
das Volk in freud'gem Gedränge; doch den Sänger vermiss' ich, den
lauk mischte sich in der Posaunen Ton Bringer der Lust,
45 das jauchzende Rufen der Menge; der mit süßem Klang mir bewege die Brust
30.