Object: Allgemeine Geographie (Theil 1)

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des Südharzes terrassenförmig aufbaut. Ein zweistündiger Weg führt 
von hier zu dem lieblich gelegenen Neustadt am Fuße der Ruine Hohnstein. 
Ein .Ausflug in die ringsum gelegnen lieblichen Täler gewährt einen 
seltnen Genuß. Als bevorzugt galten bisher diese Täler wegen ihrer völ¬ 
ligen Weltabgeschiedenheit. Diesen Vorzug hat eins dieser Täler verloren; 
aber eine weit größere Anziehungskraft übt seit 1905 ein Bauwerk aus, das 
nicht nur für die Bewohner Nordhausens von großer wirtschaftlicher Be¬ 
deutung, sondern auch für Fremde von hohem Interesse ist: die Nordhäuser 
Talsperre. Eine halbe Stunde nördlich von Neustadt liegt ein tiefes Tal, 
das von einem Wässerlein, dem Krebsbache, durchflossen wird. Wer hätte 
es früher geahnt, daß dieser Bach, der im Sommer von einem Kinde 
übersprungen werden kann, dazu ausersehen sein sollte, die 30000 Ein¬ 
wohner zählende Stadt Nordhausen mit gesundem und frischem Gebirgs- 
wasser zu versorgen! 
2. In der Mitte des Tales, da, wo es durch steile Höhenzüge etwas 
eingeengt wird, ist dem Bache durch eine Mauer der Weg versperrt. Dieses 
steinerne Riesenwerk erhebt sich in einer Dicke von 21 m auf der Talsohle 
zu einer Höhe von 28,5 m. Die gewaltige Quermauer verbindet die bei¬ 
den felsigen Höhen, die als natürliche Einfassungsmauern die Längsseiten 
des Talbeckens begrenzen. 
Sie ist 115 m lang und an der Krone noch so breit, daß ein Wagen 
darauf fahren kann. 
Durch diese Talsperre ist das eilende Bächlein aufgehalten, fein Wasser 
hat sich gesammelt und zu einem See ausgebreitet. Die Größe der Wasser¬ 
fläche beträgt etwas über 11 da, ihre Länge 1140 rn, ihre mittlere Breite 
100 m. Die größte Tiefe von 23 m erreicht das Becken an der Sperr¬ 
mauer; es vermag % Millionen Kubikmeter Wasser aufzunehmen. Ver¬ 
wundert fragt man sich, wie es möglich ist, daß ein kleines Bächlein eine 
solche ungeheure Menge Wasser liefern kann. In der Tat würde das Bäch¬ 
lein mit seinem Sommerwasser allein so Großes nicht bewirken können; 
aber 
„wenn der Frühling auf die Berge steigt 
und im Sonnenglanz der Schnee zerfließt", 
und wenn im Herbst die wilde Jagd durch die Lüfte saust und die tief 
herabhängenden Wolken unendliche Wassermengen auf die Erde schütten, 
dann rinnen Hunderte von Bächlein von den Bergen herab, ergießen ihr 
Wasser in das tiefe Tal und werden dort in dem großen Staubecken auf¬ 
gefangen. Das Niederschlagsgebiet, welches das Becken speist, wird von einer 
Reihe Bergkuppen umrahmt und umfaßt eine Fläche von 5,7 qkm. Man 
hat berechnet, daß im Laufe eines trocknen Jahres 2 Millionen ebrn Wasser 
aus den Niederschlägen sich in diesem Tale sammeln, so daß das Becken 
jährlich dreimal gefüllt werden könnte.
	        
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