alsdann tritt zuletzt ein anderes Sprichwort ein, daß der Krug
so lange zum Brunnen gehe, bis er zerbricht.
Johann Peter Hebel.
59. Die Geschichte von den Uhlen und Kreihen.
Da waren einmal vier Kreihen, die saßen auf einer Esche bei
einem alten Bauernhause. Das dauerte nicht lange, da sah die
Eule, die da wohnte, aus ihrer Türe im Giebel und sagte: „Guten
Tag!" — „Guten Tag," sagten die Kreihen. — „Habt ihr Zeit," sagte
die Uhl; „dann könnt ihr euch einen Groschen verdienen!" —
„Gern," sagten die vier; denn es lag ein alter, dicker Schnee über
dem ganzen Lande, und da war wenig zu verdienen.
„Was mein Gehilfe ist," sagte die Uhl, „der alte Tohms Geehl,
der ist gestorben. Nun dachte ich, ihr solltet ihn zu Grabe tragen.
Als mein alter Freund noch lebte, hat er manchmal zu mir gesagt:
„Jan Uhl," sagte er, „laß mich anständig begraben! Anständig gelebt,
anständig zur Erde," sagte er, denn er war ein gebildeter Mann.
Nun seht: ihr vier habt gute, schwarze Röcke an und seid ehrbare
Leute."
„Na, dann los," sagten die Kreihen und krochen hinter ihr her
ins Uhlenloch. Nun war es halb dunkel auf dem Boden. Und
das Strohdach war niedrig. Sie konnten aber den alten Tohms
Geehl doch bald liegen fefjen: er lag im Heu und streckte alle vier
von sich und rippte und rührte sich nicht. Die Uhl stellte sich zu
seinen Häupten, und die Kreihen hüpften heran, schräg, als hüpften
sie vorm Winde im jungen Weizen.
„Manche Maus haben wir hier auf diesem Boden zusammen
gefangen, Tohms Geehl, das weißt du," sagte die Uhl. „Immer siud
wir gute Freunde gewesen, und manchen Jux haben wir miteinander
gehabt. Nun ist das alles aus und vorbei. Junge! Junge! Tohms
Geehl! Was würdest du dich freueu, und was würdest du in die
Höhe springen, wenn du noch lebtest und ich zu dir sagte: „Tohms
Geehl, vier dumme, schwarze Kreihen stehen rund um
dich !"
Da sprang der Kater auf, und es gab eine tolle Kr eihenjagd:
„Die erst' konnt' nicht mehr sehn,
die zweit' verlor e'n Been,
die dritt', die hatt' e'n zerrissnen Rock,
die viert' flog aus dem Uhlenlock." Gustav Frenssen.