Full text: [Teil 3 = Oberstufe, [Schülerband]] (Teil 3 = Oberstufe, [Schülerband])

darauf mein gutes Auskommen. Seitdem habe ich fortgefahren, jede 
Ausgabe zu berechnen und keine Ersparnisse zu versäumen. Johann 
Schaller aber blieb, was er gewesen war, ein flotter Bursche, wie er sich 
selbst zu nennen pflegte. Ihr seht, wohin wir beide gekommen sind: 
seht die Lumpen seiner Armut, sein Alter vor der Zeit, sein Säufer- 5- 
gesicht, die Schmach und Verachtung, die ihn trifft — und meinen Wohl¬ 
stand, meine Gesundheit, meinen guten Ruf! Sein Elend ist das Gläschen 
Schnaps, das er schon in seinen jungen Jahren zu sich nahm, wenn er 
eben das Bett verlassen hatte, während der Groschen, den ich täglich er¬ 
sparen konnte, den Grund zu meinem Glücke gelegt hat." So sprach 10 
mein Gefährte auf der Wanderschaft. Ich habe feitbem oft an das 
Gläschen Branntwein gedacht und habe dessen Geschichte schon manchem 
zur Lehre und Ermahnung mitgeteilt. 
66. Von Hans Mahraun. 
3n Naumburg an der Saale kannte ich einen alten Bürstenmacher. Er 1» 
hatte immer nur eine sehr kleine Auswahl auf Lager, und die meisten 
Leute, wenn sie auch früher zu seiner Kundschaft gehört hatten, zogen seinem 
Geschäfte deshalb schon lange den in der Nähe gelegenen, reich ausgestatteten 
Laden einer größeren Bürsten- und Kammfabrik vor. Ich aber blieb 
noch immer dem Alten treu und bin oftmals auch in seine Werkstatt, die er 20 
gleich hinter dem ärmlichen Verkaufsraum hatte, eingetreten. Er machte 
seine Bürsten von Anfang bis Ende mit eigener Hand fertig. Das rohe 
Holz kaufte er im Walde, er zersägte die Kloben, schnitt, hobelte und 
polierte die Stücke, bis die Bürstenform allmählich erkennbar wurde. 
Das war die reine Tischlerarbeit. Dann stand er wieder tagelang an 25 
seiner Bohrmaschine, deren Rad er mit dem linken Fuße in Bewegung 
setzte, um die Löcher für die Borsten zu bohren — eine feine und müh¬ 
same Arbeit; denn wenn die Löcher nicht sauber aneinander stehen, verliert 
die Bürste ihr Ansehen. Danach kam das Einsetzen der Borsten. Er 
kaufte sie selbst von den Bauern und Schlächtern als Rohware, auch sie 30 
bedurften noch mancherlei Behandlung, ehe sie zum Verbrauche fertig 
waren. 
Eines Tages hatte ich Gelegenheit, mir auch einmal die schon 
genannte große Bürstenfabrik anzusehen. Der Geschäftsherr war zwar 
nicht zu Hause; aber der Werkführer hatte die Freundlichkeit, mir den 35 
Betrieb zu zeigen. Zuerst führte er mich in die Tischlerei, da wurde 
die ganze Holzarbeit besorgt. Die Leute, die dort beschäftigt wurden, 
waren gelernte Tischler, die mit der Bearbeitung des Holzes gründlich 
vertraut waren, und die nun, nachdem sie sich jahrelang der Bürsten¬ 
fabrikation allein zugewandt hatten, einen ganz besonderen Grad der 40 
Fertigkeit in diesem Arbeitszweige besaßen. Aus der Tischlerei wanderte
	        
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