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diese ist ein giftiges Gas, von dem 8 Prozent in der atmosphärischen
Luft genügen, um alles Tier- und Menschenleben zu ertöten. Wer fängt
nun die Kohlensäure auf und reinigt die Luft von diesen Giftdünsten?
Antwort: die Pflanzen. Die Pflanzen nehmen die Kohlensäure in sich
5 auf und atmen Sauerstoff dafür aus. Menschen und Tiere können ohne
Sauerstoff nicht leben, sie atmen den Sauerstoff ein und atmen dafür
Kohlensäure aus, die nämliche Kohlensäure, ohne die die Pflanzenwelt
nicht leben kann. Das ist der bewundernswerte Kreislauf zwischen Pflanzen-
und Tierwelt.
io Wodurch aber nimmt die Pflanze die Kohlensäure in sich auf? Zweite
Antwort: durch das Blatt. Das Blatt ist die geheimnisvolle Werkstatt,
in der die beiden Stoffe getrennt werden. Hier wird der Kohlenstoff
als Baumaterial zurückgehalten und der Sauerstoff zum größten Teile der
Luft zurückgegeben.
15 Das Blatt soll die in der Luft umherfliegenden Kohlensäureteilchen
auffangen, muß also mit möglichst viel Luft in Berührung kommen. Das
wird durch feine flach ausgebreitete Form erreicht. Das Blatt kann nur
dann Kohlenstoff aufnehmen, wenn es von dem Sonnenlichte beschienen
wird; daher drängen sich bei unfern Bäumen alle Blätter an den äußersten
20 Umfang der Krone und haben außerdem eine solche Stellung an dem
Zweige, daß alle gleichmäßig von der Sonne beschienen werden können
und kaum ein Blatt das andere beschattet.
Zwischen der straff gespannten Ober- und Unterhaut des Blattes liegt
eine dichte Schicht unendlich vieler winziger Bläschen. Das sind die Zellen.
25 In jeder Zelle schwimmt eine Anzahl kleiner grüner Körner; diese winzigen
Körner sind die eigentlichen Künstler, die den Kohlenstoff vom Sauerstoff
trennen und aus dieser toten Masse einen lebendigen Stoff bilden, aus
dem die Pflanze Knospen, Blätter, Zweige, Blüten und Früchte formt.
Wie aber gelangt die Luft in das Innere des Blattes zu den kleinen
30 emsigen Künstlern, wenn diese wie in einem Gefängnis durch eine feste
Haut von der Luft abgeschlossen ist? Ziehen wir von der unteren Fläche
eines Blattes ein Stückchen Haut ab und legen es unter das Mikroskop,
so sehen wir die ganze Fläche von unzähligen winzigen Öffnungen durch¬
löchert. Auf einer Fläche von der Größe des kleinen Buchstaben o zählt
35 man 200 solcher Öffnungen, ein einziges Buchenblatt hat über 206000,
ein mittelgroßes Weinblatt sogar 3 843000 dieser Löcher. Durch diese
Löcher nimmt das Blatt die Luft auf. Es behält den Kohlenstoff für sich
und gibt den Sauerstoff zurück. Aber auch Sauerstoff nimmt das Blatt
aus der Luft auf und gibt Kohlensäure dafür zurück. Es tut also das
40 nämliche, was die Menschen und Tiere tun, wenn sie atmen. Darum
heißen diese Löcher auch Atemlöcher. Auch Wasser verdunstet aus diesen
Löchern. Das Blatt atmet Tag und Nacht, auch die Verdunstung geht
mehr oder minder ununterbrochen fort; die Kohlensäure der Luft kann das