Full text: [Teil 3 = Oberstufe, [Schülerband]] (Teil 3 = Oberstufe, [Schülerband])

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ausbrechendem Feuer das Wasser aus den Behältern oder fließenden 
Brunnen in die gefährdeten Straßen laufen zu lassen. Dafür hingen an 
den Straßenecken Schutzbretter, und es war Pflicht einzelner Gewerke — 
in Leipzig der Gastwirte — mit solchen Schutzbrettern das Wasser an 
5 der Brandstätte zu stauen, indem man aus ihnen und zugetragenem 
Dünger einen Querwall zog. Die Straßen- und Sicherheitspolizei war 
seit etwa sechzig Jahren sehr verbessert worden. Kurfürst August von 
Sachsen hatte in seinem Lande die gesamte Verwaltung mit nicht gewöhn¬ 
lichem Geschick neugestaltet. Seine zahlreichen Ordnungen waren im 
10 ganzen Reiche Muster geworden, nach denen Fürsten und Städte ihr 
neues Leben einrichteten. 
Der Hauptmarkt war am Sonntag Lieblingsanfenthalt der Männer. 
Dort standen nach der Predigt Bürger und Gesellen in ihrem Feststaate, 
plaudernd, Neuigkeiten austauschend, Geschäfte beredend. In allen Handels- 
15 städten hatten die Kaufleute besondere Räume zu ihren Zusammenkünften. 
Auf dem Ratsturme durfte über der Uhr auch der Gang nicht fehlen, von 
dem der Türmer seine Rundschau über die Stadt hielt, wo die Stadt¬ 
pfeifer mit Posaunen und Zinken bliesen. 
Die Stadtgemeinde unterhielt für ihre Bürger Bier- und Wein- 
20 keller, worin die Preise des ausgeschenkten Trunkes sorglich bestimmt 
wurden, für die Vornehmen besondere Trinkstuben zu anmutiger Unter¬ 
haltung. Auch die Gasthäuser waren zahlreich, sie werden in Leipzig als 
schön und herrlich eingerichtet gerühmt. Selbst die Apotheken standen 
unter Aufsicht, hatten besondere Ordnungen und Preise, verkauften noch 
25 viele Spezereien und Leckereien. Mehr Bedürfnis als jetzt waren die 
Badestuben. Auch auf dem Lande fehlte selten dem Bauernhöfe ein kleines 
Badehaus; eine Badestube war in jedem größeren Gebäude der Stadt. 
Außerdem aber unterhielten die Städte auch große öffentliche Bäder, in 
denen umsonst oder gegen geringe Bezahlung mit allen Bequemlichkeiten 
30 warm und kalt gebadet wurde. Dieser uralte deutsche Brauch ging durch den 
Krieg fast verloren, noch jetzt ist er nicht im alten Umfange wiedergefunden. 
In den ansehnlichen Städten waren die Häuser der inneren Stadt 
um das Jahr 1618 in großer Mehrzahl aus Stein, bis zu drei und 
mehr Stock hoch und mit Ziegeln gedeckt. Die Räume des Hauses werden 
35 oft als sauber, zierlich und ansehnlich gerühmt; die Wände waren zuweilen 
mit gewirkten oder gestickten Teppichen und mit schönem, kostbarem Tafel¬ 
gerät oder anderm Zierate geschmückt, nicht nur in den alten, großen 
Handelsstädten, auch in solchen, die in jüngerer Kraft aufblühten. Zier¬ 
lich und sorgfältig gesammelt war auch der Hausrat. 
40 Noch war das Porzellan nicht erfunden, reichliches Silbergeschirr 
fand sich nur an großen Fürstenhöfen und in wenigen der reichsten 
Kaufmannsfamilien. An dem einzelnen Stück von edelm Metall erfreute 
noch mehr die kunstvolle Arbeit des Goldschmiedes als die Masse. Die
	        
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