feil ist, dort ein geiziger Bauer, der mit seinen närrischen Späßen den
Handwerker erheitern und satt machen will. All die Leute soll der Schneider
mit einem Maße messen. Und, was die Hauptsache ist: Kopf muß einer
haben! Was an einem krummen, buckligen Menschenkind verdorben ist, das
soll der Schneider wieder gutmachen. Der Schneider muß aber nicht allein
den Körper seines Kunden, er muß auch, sozusagen, sein ganzes Wesen er¬
fassen, um ihm ein Kleid zu geben, das paßt. Ebenso muß er den Stoff
kennen, von dem er den Anzug zu verfertigen hat. Manches Tuch dehnt
sich, manches kriecht zusammen, dieses hält Farbe, das andere verschießt.
Wer das vorher nicht weiß, der macht ein Unding zusammen. Kurz, der
Kleidermacher muß Menschen- und Weltkenner sein. Na, werd' ihn' mal
anschaun, soll nächster Tage zum Alpelhofer kommen, dort wird er mich
finden!"
So bin ich denn an einem der nächsten Tage in Heller Morgenfrühe
zum Alpelhofer hingegangen. Lange stand ich ans dem Antrittsstein der
Haustür und dachte: „Wie wird es sein, wenn ich wieder heraustrete?"
Eine fast feierliche Stimmung lag um das Hans, das auf dem Berge
zwischen Linden stand. Drinnen saß die Entscheidung meines Schicksals.
Da ich in die Stube trat, saß der Meister am Tisch und nähte. Vor ihm
lag das Handwerkszeug, daneben zugeschnittenes Lodentuch, an der Sitz¬
bank hing das Bügeleisen. Ich blieb an der Tür stehen. Es war alles
still. Er zog die Nadel ans und nieder. Nur die Wanduhr und mein
Herz pochte. „Was willst du denn?" fragte mich nach einer Weile der
Meister. „Schneider werden möcht' ich halt gern," antwortete ich zagend.
„So, bist du der?" sagte er und blickte mich eine Weile an. „In Gottes
Namen geht's au. Setz dich her, nimm Nadel und Zwirn und nähe mir
diesen Ärmling zusammen!" So tat ich; aber es ist leichter gesagt als
getan. Da staken im Kissen au die dreißig Nadeln aller Größen. Da
lagen Zwirnknäuel verschiedener Feine und Farbe. Und die beiden Teile
des Ärmlings, wie werden sie behandelt und znsammengetan? Ich warf
fragende Blicke auf den Meister. Er tat, als wisse er nicht mehr als ich.
So hub ich denn an. Ich fädelte ein, legte den Lodenstoff aufs Knie
und machte einen Stich. Der Faden schlüpfte durch, der erste Stich war
mißlungen. Ties erglühend forschte ich der Ursache nach und kam endlich
darauf, daß von mir vergessen worden war, in den Faden einen Knoten
zu machen. Ich schlang also mit großer Mühe ein Knötlein und nähte
hierauf mit Erfolg, aber auch mit Hindernissen. Es wand und verdrehte
sich der Zwirn, es staute sich die Nadel am Finger, es verschob sich das
Zeug und ließ sich mit jedem Zuge hoch in die Lüfte ziehen, es riß sogar
der Faden. Als ich ein paar Stunden so herumgenäht hatte, ohne daß
mein Meister auch nur eine Silbe zu mir gesprochen hätte, und als ich
endlich mit dem Ärmling fertig zu sein wähnte und mit dem Auge fragte,
was nun zu beginnen sei, antwortete er: „Jetzt trenne den Ärmling
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