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sam, wie erhebend, wie überwältigend rauscht das über das Schlacht—
feld hin in die Mitternacht hinein! Es wird uns unaussprechlich
weh und doch wieder so selig zumute. — Es zieht unsere erschrockenen
Gemüter unwillkürlich mächtig himmelwärts. — Das sind ja unsere
Lieder! „Bis hierher hat mich Gott gebracht durch seine große Güte “ —
„Ein' feste Burg ist unser Gott, ein' gute Wehr und Waffen“ —
„Allein Gott in der Höh' sei Ehr'“ — „Nun danket alle Gott“ usw.
Das sind ja unsere Lieder! Das sind Heimatsklänge aus ver—
gangenen Tagen. — Das sind Dankes- und Siegespsalmen, die einst
unsere deutschen Väter gesungen und die auch unserm Herzen lieb—
geblieben. — Was soll das bedeuten? Sollte Gott, der Herr, der
Lenker der Weltgeschichte, etwas Großes vorhaben mit unserm
elsässischen Volke und dasselbe unter schmerzlichem Losreißen wieder
zurückführen zum alten Mutterland? O, das wird lange und peinliche
Kämpfe geben. — Er tue, wie's ihm wohlgefällt! Karl Klein.
21. Eine wendische Hochzeit.
Vor kurzem besuchte ich ein Wendendorf, ein großes, von
Wald eingerahmtes, stilles Heidedorf. Die Kirche ragt hoch über
die niedrigen Häuser, deren ältere nur aus Holzbohlen erbaut sind,
empor. Die Einwohner sind arm, sie müssen den Heideboden müh—
sam bearbeiten, und der gibt wenig her. In den weißgetünchten
Wohnstuben sind nur die allernötigsten Gebrauchsgegenstände zu
finden. Aber alle Frauen und Mädchen, bis herab zu den kleinsten
Kindern, gehen in bunter Tracht, ja selbst die Männer legen diese
Sonntags zum Kirchgang noch an, und uralte Sitten und Gebräuche
haben sich hier noch unberührt erhalten.
Es scheint fast, als ob die Einwohner die ernste Stimmung,
die der nahe Niefernwald und der weiße Sand hervorrufen, durch
ihre bunte Kleidung beseitigen wollen. Zum Uirchgang wird nun
ganz besonderer Schmuck aus den Truhen geholt. Das Dorf ist
protestantisch. Niemand versäumt den Gottesdienst. Man muß sich
rechtzeitig vor demselben einfinden, um die verschiedenen Trachten
studieren zu können. Fremde verirren sich selten in diese abgelegene
Gegend, und es ist daher nicht wie im Spreewald, wo die armen
Kirchgänger Parade laufen müssen und die gaffenden Großstädter
leider oft ihre unpassenden Bemerkungen über sie machen. Ich